VON CLAUDIA HEINE
"Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher." Das sagte einst der Nobelpreisträger Albert Einstein, über dessen Intelligenz sich manche Nachgeborenen den Kopf zerbrochen haben. Aber leider sieht man einem Gehirn nicht an, warum dessen Besitzer nun viel weiß oder wenig. Jedenfalls wog das Gehirn Einsteins nicht mehr, als ein durchschnittliches männliches Gehirn eben wiegt. Mit solchen, rein quantifizierenden Versuchen lässt sich Wissen nicht messen, schon gar nicht im Zeitalter des Internets mit seinen Milliarden von Webseiten.
Aber das Internet ist keineswegs das unendliche Universum, als dass es meist betrachtet wird. Es hat Grenzen, nämlich jene, die uns die Suchmaschinen vorgeben (Seite 13). Nur weil dieser Bereich so unüberschaubar ist, denken wir, er sei unendlich. Und tatsächlich: Die Menge der verfügbaren Informationen und die Einfachheit ihrer Erreichbarkeit durch wenige Mausklicks führt schnell zu einem mit immer neuen Papierhaufen beladenen Schreibtisch. Während man aus der Bibliothek nur so viele Bücher, wie man tragen kann, mit nach Hause nimmt, ist die Effektivität des Druckers weit größer. Das ist einerseits verführerisch. Andererseits hinterlässt es das Gefühl, von Informationen erschlagen zu werden. Zweifellos: Die digitalen Medien haben den Zugang zu Wissen und den Umgang damit revolutioniert.
Die Themenausgabe "Zukunft des Wissens im digitalen Zeitalter" beleuchtet diesen Wandel aus verschiedenen Perspektiven. Wie verändern digitale Medien zum Beispiel den Umgang mit Büchern - früher exklusive Speicher des Wissens? Bisher blieb der befürchtete Niedergang bedruckten Papiers aus. Doch was bewirkt nun das gigantische Digitalisierungsprojekt von Google, in dessen Rahmen Millionen von Büchern eingescannt werden? Welche Zukunft haben dann noch die Bibliotheken als physische Orte? Paul Raabe, einer der bekanntesten Bibliothekare Deutschlands, sieht sie jedenfalls nicht bedroht (Seite 6 und 7).
Hinter der Idee, Wissen als öffentliches Gut zu betrachten, also für jeden im Internet frei zugänglich zu machen, steckt auch eine Bedrohung. Wie lässt sich geistiges Eigentum unter solchen Umständen schützen? Welche Zukunft hat das Urheberrecht - bisher eine Voraussetzung dafür, dass Geistesarbeiter von ihren Werken leben konnten. Heribert Prantl fordert deshalb ein internettaugliches Urheberrecht und nicht dessen Abschaffung (Seite 10).
Pauschal betrachtet, ist der Zugang zu Wissen noch nie so leicht gewesen wie heute. Dennoch trennt ein digitaler Graben die Welt, sind die Entwicklungsländer von den Vorteilen der technischen Revolution weitgehend ausgeschlossen (Seite 15). Der Zugang zu Wissen ist nach wie vor ein Privileg, ein Machtfaktor.
Schließlich bleibt die Frage: Wissen wir wirklich mehr, nur weil wir Milliarden von Webseiten im Internet abrufen können? Oder hat Albert Einstein immer noch recht?