kasachstan
Das Parlament ist gewählt - die Ergebnisse erinnern stark an Sowjetzeiten. Doch die Kasachen interessiert Politik nicht.
Bei den Freudenskundgebungen in der kasachischen Hauptstadt Astana zu dem überwältigenden Sieg der Präsidentenpartei Nur Otan (Licht des Vaterlandes) war vor allem Genugtuung zu spüren: Kasachstan nutzte die Parlamentswahl vom 18. August, den europäischen Erwartungen auf eine Demokratisierung des Landes eine deutliche Abfuhr zu erteilen. Pikanterweise bewirbt sich Kasachstan um den OSZE-Vorsitz 2009.
"Es war von Anfang an alles nur Schein", sagte der kasachische Politologe Dosim Satpajew nach der Wahl. Man habe nur ein wenig so gespielt, als würde man frei wählen lassen, aber dann doch gezeigt, wer der Herr im Hause sei. "Demokratische Wahlen werden als Zugeständnisse an den Westen aufgefasst und als unwichtig für das eigene Land empfunden", erklärt der Politologe.
Die Partei der Macht zieht also mit mehr als 88 Prozent der Stimmen als einzige in das Parlament des zentralasiatischen Steppenlandes ein; die beiden aussichtsreichen Oppositionsparteien sind nach Angaben der zentralen Wahlkommission deutlich an der Sperrklausel von sieben Prozent gescheitert.
Im Angesicht des Wahlergebnisses bekommt die im Mai als demokratische Reform durchgedrückte Verfassungsänderung einen anderen Sinn. Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew kann jetzt unbegrenzt für das Staatsamt kandidieren, ist Parteichef der einzigen Partei in der Volksvertretung und teilt faktisch die Kompetenzen mit sich selbst. "Ich kenne kein demokratisches Land mit einem Einparteienparlament", war der resignierte Kommentar von Ljubomir Kopaj, Leiter der Langzeitbeobachter vom Warschauer OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte.
Selten zuvor war ein Urnengang in einem zentralasiatischen Staat von Experten und Politikern in Europa und den USA mit so vielen Hoffnungen verbunden, wie die vorgezogenen Parlamentswahlen in Kasachstan. Keiner zweifelte daran, dass die Präsidentenpartei Nur Otan einen überwältigenden Sieg einfahren würde, aber man hatte doch erwartet, dass mindestens eine Oppositionspartei ins Parlament einziehen würde. Denn die Opposition hatte im Vergleich zu den zentralasiatischen Nachbarstaaten die besten Voraussetzungen dafür. Die Allnationale Sozialdemokratische Partei, OSDP, und Ak Schol (Heller Pfad) verfügen über ausgebildete, smarte und politerfahrene Führungskräfte, die Parteien über ausreichend Geld und Organisationskraft, um eine eindrückliche Kampagne an den Tag zu legen. Zudem gibt es in Kasachstan im Unterschied zu Turkmenistan und Usbekistan eine ausdifferenzierte Presselandschaft. Oppositionszeitungen wie "Respuplika" oder "Swaboda Slowa" kritisieren wortgewaltig die Regentschaft Nasarbajews. Aber auch andere Printmedien ließen die Opposition im Wahlkampf zu Wort kommen. Selbst im Fernsehen, das auch in Kasachstan von der Staatsmacht mehr oder weniger direkt kontrolliert wird, konnte sich die Opposition zu Wort melden. Allerdings bekämpften sich beide Parteien erbittert. Die OSDP warf Ak Schol vor, sich lediglich als Scheinalternative anzubieten. Dennoch waren selbst regierungsnahe Meinungsforschungsinstitute bei den ersten Wahlprognosen in der Samstagnacht überzeugt, dass Ak Schol ins Parlament kommen würde, und die OSDP gute Chancen hätte, die Sperrklausel zu überwinden.
Doch dann kam alles anders. Mitschuldig daran war wohl der kalte Wind von Shanghai, der die Illusion von einem liberalen Kasachstan endgültig dahinfegte. Das Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation in der der kirgisischen Hauptstadt Bischkek im Vorfeld der Wahl hat Nasarbajew dazu bewogen, sich doch auf keine demokratischen Experimente einzulassen. Bei der zweitägigen Zusammenkunft der Autokraten der Region, die von China und Russland angeführt wurde und bei der auch der iranische Präsident einen Auftritt hatte, pflegte man das Image der Herrscher auf Lebenszeit.
In einem flammenden Aufruf im russischen Fernsehsender "Russia" appellierte Nasarbajew an Wladimir Putin doch eine dritte Amtszeit anzustreben, und nicht aus falscher Rücksichtnahme auf den Westen das Volk und das Land allein zu lassen. Die zwei Tage später abgehaltene Wahl in seinem Land bot Nasarbajew die Möglichkeit Putin zu zeigen, wie man den Westen abblitzen lässt, ohne dass man Sanktionen erwarten müsste. Der Ölreichtum macht Kasachstan zu wichtig. Auch innenpolitisch ist keine Krise zu befürchten. Die Bevölkerung ist politisch uninteressiert und die Opposition weiß, dass sie nicht zum Aufstand aufrufen kann. "Wir haben nicht den Rückhalt bei den Menschen, um sie auf die Straße zu führen", meint Oras Dschondosow, einer der Oppositionsführer, lapidar.