boom am Öresund
Zwischen Kopenhagen und Malmö ist eine der am schnellsten wachsenden Regionen Europas entstanden - aber nicht alle Träume sind in Erfüllung gegangen.
Als vor fast genau sieben Jahren die Öresund-Brücke mit königlichem Segen eingeweiht wurde, handelten die meisten Festreden von den enormen Möglichkeiten, die die knapp drei Milliarden Euro teure Querung des Öresunds zwischen Kopenhagen und Malmö für die gesamte Region biete. Mittlerweile ist etwas Ernüchterung eingekehrt, wenngleich die Region mit ihren rund 3,4 Millionen Einwohnern auf beiden Seiten des Sunds zu den am schnellsten wachsenden Regionen in ganz Nordeuropa zählt. Denn nicht alle Wünsche gingen so schnell in Erfüllung, wie die Bauherren der Brücken-Tunnel-Verbindung sich das noch im Jahr 2000 vorgestellt hatten.
Bei dem als Jahrhundertbauwerk bezeichneten Brückenschlag zwischen den beiden Ländern, der nach mehr als 100-jährigen Zankereien vollzogen wurde, standen in Kopenhagen und Stockholm nicht nur verkehrspolitische Ziele im Vordergrund. Ein gemeinsamer, großer Arbeitsmarkt, eine einzige Wohnregion sollte geschaffen werden. Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Austausch, Integration pur - davon träumten nicht nur Kommunalpolitiker. "Wir wollen dem Europa der Regionen ein richtiges Gesicht geben", wurde damals feierlich zur Eröffnung der "Brücke der Zukunft" erklärt und die Öresund-Region zu einer der stärksten Wachstumsregionen der EU erkoren.
Die Wirtschaft hatte die Öresund-Region als Wachstumsgebiet bereits früh erkannt. Als eines der ersten Unternehmen verlegte der damalige DaimlerChrysler-Konzern seine Nordeuropa-Zentrale an die Brücke. Er ging auch einen ganzen Schritt weiter als viele andere Konzerne, die sich hier niedergelassen haben. Denn der Autohersteller baute ein grenzüberschreitendes Headquarter auf, mit 135 Mitarbeitern in Kopenhagen und 100 Mitarbeitern in Malmö.
Insgesamt sind seit Brückeneröffnung rund 20 Milliarden Euro an Investitionen in die Region geflossen. Der größte Teil ging in Infrastrukturprojekte. Und mittlerweile macht sich das für die Stadtväter von Malmö und Kopenhagen bezahlt: Vor allem Biotech- und Pharmakonzerne haben sich auf beiden Seiten der Brücke niedergelassen und bisher fast 2,5 Milliarden Euro investiert. Die Bemühungen in der Region, sich nach London und Paris als drittgrößtes europäisches Biotech- und Pharmaforschungszentrum zu etablieren, scheinen zu glücken. Schon jetzt arbeiten im "Medicon Valley", wie die Ansammlung unzähliger Biotech- und Pharmaunternehmen auf beiden Seiten des Öresunds genannt wird, mehr als 30.000 Menschen. Auch IT-Unternehmen sind in der Region stark vertreten. Den Mitarbeiter-Nachwuchs bilden elf Universitäten und Hochschulen in der Region aus, 120.000 Studenten sind dort eingeschrieben.
Die Wirtschaftskraft der Öresund-Region ist also enorm: Ein Fünftel des addierten Bruttoinlandsprodukts Dänemarks und Schwedens entsteht links und rechts der Brücke. Allerdings wird die Region klar von der dänischen Seite dominiert. Hier leben 2,4 Millionen Menschen, die dem Gebiet zugerechnet werden, also mehr als doppelt so viele wie im schwedischen Teil. Hinzu kommt: Dänemark erwirtschaftet in der Region etwa die Hälfte seines Bruttoinlandsproduktes, Schweden nur ein gutes Zehntel.
Mehr als 14.000 Pendler reisen täglich über die Brücke. Viele Dänen haben wegen des Immobilienbooms und den damit verbundenen hohen Preisen für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen im Großraum Kopenhagen die Vorteile eines Wohnsitzes im billigeren Südschweden entdeckt. Andererseits lockt der akute Arbeitskräftemangel in Dänemark viele Schweden über den Öresund. Dass die Gehälter in Dänemark deutlich über denen in Schweden liegen, macht die Arbeitsplatzwahl noch leichter.
Ein anderer Traum hingegen ist geplatzt. Nach Einweihung der Brücke glaubten die Verantwortlichen an eine rasante Harmonisierung der Sozialversicherungs- und Steuersysteme beider Länder. Weitere zehn Jahre, schätzen die Regionalentwickler, wird es noch dauern, bis der Arbeitsmarkt und weitere Rechtsgrundlagen integriert sind.
Wo soll ein Däne, der auf der anderen Seite der Meeresenge im schwedischen Skåne wohnt, aber weiter seiner Arbeit in Dänemark nachgeht, seine Steuern bezahlen? In Dänemark, sagen die Dänen. In Schweden natürlich, wo seine Familie die Vorzüge des schwedischen Wohlfahrtsstaates genießt, fordern die Schweden. Der Zwist bleibt vermutlich ungelöst, denn in Kopenhagen fährt die Regierung aus Furcht vor einer massenhaften Steuerflucht einen harten Kurs. Ein weiteres Hindernis für eine schnellere Integration ist die mit rund 62 Euro für eine Hin- und Rückfahrt mit dem Auto sehr hohe Mautgebühr. Pendler erhalten allerdings Rabatte von bis zu 50 Prozent.
Dennoch herrscht trotz aller anfänglichen Enttäuschung über die zunächst schleppende grenzüberschreitende Anbindung zweier Regionen auch Zuversicht. Der gerade beschlossene Bau einer Brücke über den Fehmarnbelt löste Jubel in Malmö und Kopenhagen aus, denn immerhin stammt ein Großteil des Außenhandels beider Länder aus dieser Region. Mit der Fehmarnbelt-Brücke würde die Boom-Region am Öresund noch besser an die Wirtschaftsmetropole Hamburg angebunden, freute man sich im schwedischen und dänischen Wirtschaftsministerium. Geduld muss allerdings mitgebracht werden: Vor 2018 wird der 5,5 Milliarden teure Brückenschlag zwischen Rødby und Puttgarden nicht fertig sein.