Maritime Wirtschaft
Deutschland profitiert erheblich von der wachsenden Bedeutung des Handels über die Meere
Zu den großen Seefahrernationen gehört Deutschland traditionell eigentlich nicht - weder zivil noch militärisch. Der zweimalige Versuch im vergangenen Jahrhundert, erst durch Kaiser Wilhelm II. und dann durch Adolf Hitler, den Briten ihre damals unumstrittene Stellung als Nummer eins unter den europäischen Seefahrernationen streitig zu machen, endete jeweils in der Katastrophe.
In den vergangenen Jahren hat sich Deutschland jedoch zu einem der erfolgreichsten Schifffahrtsstandorte weltweit gemausert und profitiert ganz erheblich vom weltweiten Boom des Seehandels. Allein im vergangenen Jahr wuchs dieser um 4,8 Prozent - 6,98 Milliarden Tonnen Ware wurden über die Weltmeere verschifft. Der Wettbewerb ist hart. Etwa 170 Schifffahrtsnationen und rund 10.000 Reedereiunternehmen setzten weltweit etwa 43.000 Handels- und Passagierschiffe ein. Den weitaus größten Anteil am Handelsaufkommen nimmt mit 26 Prozent der Transport von Rohöl ein, gefolgt von Kohle (elf Prozent), Eisenerz (zehn Prozent) und Getreide (vier Prozent).
Von diesem Kuchen haben sich Deutschlands Reeder ein großes Stück geschnitten. Deren Handelsflotte steht laut einem Bericht des Bundesverteidigungsministeriums "zur maritimen Abhängigkeit Deutschlands" mit 3.105 Schiffen weltweit an dritter Stelle. Allerdings nur dann, wenn man bei der Zählung die Nationalität der Schiffseigner zu Grunde legt. Unter deutscher Flagge fahren nämlich lediglich 570 Schiffe der Welthandelsflotte. Der überwiegende Teil der Schiffe deutscher Reedereien dampft unter den Flaggen anderer Länder, in denen weniger Steuern zu zahlen sind oder deren Sicherheitsauflagen nicht so streng sind, über die Weltmeere. Auch Deutschlands Häfen profitieren von der stetig wachsenden Bedeutung des Seehandels. Rund 90 Prozent des EU-Außenhandels und 20 Prozent des deutschen Außenhandels werden über See abgewickelt; derzeit laufen jährlich durchschnittlich 139.000 Schiffe die Häfen an der deutschen Nord- und Ostseeküste an. Im vergangenen Jahr wurden in den deutschen Seehäfen an Nord- und Ostsee 302,8 Millionen Tonnen Güter aller Art umgeschlagen. Der weitaus größere Teil von 243,4 Millionen Tonnen entfällt auf die großen Nordseehäfen Hamburg, Wilhelmshaven und Bremerhaven. Hamburg ist nach Rotterdam der zweiwichtigste Containerhafen Europas, Bremerhaven die Nummer vier nach Antwerpen.
In den deutschen Häfen an der Ostseeküste wurden 56,8 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen. Ganz vorne rangieren dabei Lübeck mit 20,1 und Rostock mit 9,3 Millionen Tonnen.
Große Bedeutung für den Seehandel und den Personentransport an Europas nördlichen Küsten kommt dem Nord-Ostsee-Kanal in Schleswig-Holstein zu: Rund 32.071 Handelsschiffe durchfuhren 2006 den Kanal - mehr als den Panama-Kanal (12.772) und den Suez-Kanal (18.664) zusammen. Im Verhältnis zu den transportierten Gütern weist der Nord-Ostsee-Kanal mit 95,8 Millionen Tonnen jedoch nur zwölf Prozent der Kapazität des Suez- und 45 Prozent des Panama-Kanals auf.