Staatsform
Ein Verfassungskompromiss ist die Basis
Das libanesiche Demokratiemodell begann mit dem Ende der französischen Mandatszeit 1943. In einem ungeschriebenen Gentlemen's Agreement einigte sich die nach rascher Unabhängigkeit strebende libanesische Führung seinerzeit auf jenen Nationalpakt, der die Zedernrepublik im Grunde bis heute zusammenhält: Demnach ist der Präsident stets ein christlicher Maronit, die Schiiten stellen den Parlamentspräsidenten und ein Sunnit steht als Ministerpräsident an der Spitze der Regierung.
Zugleich verzichtete die damals noch eine Mehrheit der Bevölkerung vertretende, eng mit Frankreich verbundene christliche Führungsschicht im Nationalpakt darauf, weiter die Protektion westlicher Mächte zu suchen. Die muslimischen Repräsentanten wiederum versicherten, weder den Anschluss an Syrien noch an eine arabische Union zu betreiben - nach Jahrzehnten der Fremdherrschaft durch Osmanen und Franzosen sollte der Libanon endlich ein völlig unabhängiges Land sein, Teil der arabischen Welt zwar, jedoch mit einem "speziellen Charakter".
Der überkonfessionelle Verfassungskompromiss aber blieb brüchig. Schon 1958 kam es zu einem kurzen Bürgerkrieg, der erst durch die Intervention US-amerikanischer Einheiten beendet werden konnte. Lediglich die anderthalb Jahre danach waren gekennzeichnet von einer Phase relativer Stabilität - Investoren aus den Golf-Staaten, den USA und Europa nutzten Beirut als finanzielle Drehscheibe für die Profite aus der rasant anwachsenden Ölproduktion in der Region. Das florierende Bankenwesen bescherte dem heute knapp vier Millionen Einwohner großen Mittelmeeranrainer den Titel "Schweiz des Nahen Ostens".
Getrübt wurde der Aufschwung spätestens seit Ende der 1960er-Jahre durch Angriffe der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) auf israelisches Territorium - und die Vergeltungsschläge gegen den Südlibanon. Bestärkt durch die internationale Hochzeit linker Befreiungsbewegungen schlossen sich die mehrheitlich muslimisch dominierten Parteien am Vorabend des Bürgerkrieges 1975 mit der PLO zur "Nationalen Bewegung" zusammen. Ihr Gegner: eine von der maronitischen Kataeb-Partei geführte Allianz, die zumindest zeitweise die Errichtung eines christlichen Ministaates zum Ziel hatte.
Trotz vielfach wechselnder Bündnisse und bewaffneter innerkonfessioneller Konflikte änderte auch der Friedensvertrag von Taif 1989 die Machtverteilung nicht wesentlich: Lediglich die Befugnisse des maronitischen Präsidenten wurden beschränkt und im Parlament eine paritätische Verteilung christlicher und muslimischer Sitze vereinbart. Zugleich baute Syrien seine mit dem Einmarsch 1976 erworbene Stellung als Protektoratsmacht weiter aus: Bis zu den Präsidentenwahlen 2004, als der heutige Amtsinhaber Emile Lahoud ein zweites Mandat erhielt, konnte kein Staatsoberhaupt ohne vorherige Zustimmung aus Damaskus gewählt werden.
Seit der "Zedernrevolution" von Frühjahr 2005 jedoch, die den Abzug der syrischen Besatzungstruppen zur Folge hatte, ist die Situation verfahren. Die Grundformel libanesischer Politik, einen Konsens zu finden, der sowohl prosyrische wie antisyrische, christliche wie muslimische Abgeordnete zufrieden stellt, ist dadurch nicht einfacher geworden.