Internationale Beziehungen auf politischer Ebene waren lange Zeit das Hoheitsgebiet von Regierungen. Dass Parlamentarier über Grenzen hinweg Kontakt mit Kollegen pflegen, ist in modernen Demokratien jedoch mittlerweile Alltag. Im Deutschen Bundestag sorgt die Unterabteilung "Internationale Beziehungen" dafür, dass das deutsche Parlament ein Ort internationaler Begegnungen ist und dass deutsche Abgeordnete sich mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen austauschen können.
Vier Referate sind unter dem Dach der Unterabteilung vereint. So hat der Sprachendienst für jede noch so seltene Sprache einen Dolmetscher in der Datei, im Referat "Interparlamentarische Organisationen" wird wiederum die Arbeit der Abgeordneten in den zahlreichen internationalen parlamentarischen Versammlungen koordiniert: Diese gibt es beispielsweise bei der NATO, der OSZE, der Westeuropäischen Union und der Interparlamentarische Union (IPU). Zwei weitere Referate organisieren und betreuen internationale Austauschprogramme, die Reisen von Abgeordneten und Verwaltung im In- und Ausland sowie die Arbeit der Parlamentariergruppen.
"Wir möchten informierte Abgeordnete", unterstreicht Prosper Schücking, der seit Juli die Unterabteilung leitet, die Bedeutung internationaler Begegnungen. Der Jurist hat den Blick über den nationalen Tellerrand schon als Kind geübt, als er mit seinen Eltern vom westfälischen Warendorf erst nach Hamburg und dann nach Texas zog. Vor dem Abitur kam er zurück nach Deutschland und begeisterte sich seitdem für Internationales. Glücklich war Schücking daher, als er 2005 die Leitung der Austauschprogramme übertragen bekam. Fortan betreute er die Programme für Schüler, junge Berufstätige, Hochschulabsolventen und Parlamentsmitarbeiter, die entweder mit Unterstützung des Bundestags eine Zeit im Ausland verbringen oder aus dem Ausland nach Deutschland kommen.
Besonders ans Herz gewachsen ist Schücking das Internationale Parlamentsstipendium: Jedes Jahr haben 115 junge Hochschulabsolventen aus 25 Ländern die Gelegenheit, die deutsche Demokratie quasi von innen kennen zu lernen. Fünf Monate tauchen sie in den Parlamentsalltag ein, nehmen an Sitzungen teil und erleben mit "ihrem" Abgeordneten, wie Demokratie in Deutschland funktioniert. "Beide Seiten lernen viel voneinander", sagt Prosper Schücking. Wenn Stipendiaten aus den jungen Demokratien Osteuropas von ihren Erfahrungen, Wünschen und Hoffnungen erzählen, sei das auch für die deutschen Abgeordneten ein wertvoller Einblick in diese Länder. "Das kann keine Lektüre bieten", sagt er. Es beeindrucke ihn immer wieder, mit welcher Offenheit und Wissbegierde gerade Parlamentarier und Parlamentsmitarbeiter aus jungen Demokratien Osteuropas, Afrikas, Südamerikas und Asiens nach Berlin kommen. Dort habe die parlamentarische Demokratie Deutschlands eine Vorbildfunktion, sagt der Jurist: Deutschland, so Schücking, sei mit seinen Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg und der deutsch-deutschen Vereinigung für viele ein Beispiel. Insbesondere die Geschäftsordnung des Bundestags, das Petitionsrecht und der Umgang mit der Opposition sowie der Zivilgesellschaft seien dabei Bereiche, aus denen die Gäste Anregungen für ihren eigenen Parlamentarismus ziehen.
Auf der anderen Seite reisen deutsche Abgeordnete regelmäßig ins Ausland. 53 Parlamentariergruppen pflegen binationale Kontakte zu ihren Kollegen. Die älteste ist die deutsch-französische Gruppe, sie existiert seit 1957. Dass diese Beziehungen auch durch gegenseitige Besuche gepflegt werden, sei kein Luxus, sondern Notwendigkeit, sagt Prosper Schücking. Wer beispielsweise über die Verlängerungen des Afghanistan-Mandats entscheiden muss, sollte über die Lage in dem Land informiert sein. Und er sollte Menschen in dem Land treffen. "Der unmittelbare Eindruck und der persönliche Kontakt", sagt Schücking, "ist einfach immens wichtig."