Ernüchterung in der Koalition: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen ( 16/6311 , 16/6648 ), ein lange angekündigtes Vorzeigeprojekt, stößt bei der betroffenen Branche auf wenig Gegenliebe. Man sei zwar noch nicht so weit, das Gesetz wieder "einzusammeln", war aus den Reihen der Unionsfraktion zu hören, doch die für den 24. Oktober vorgesehene erste Lesung des Gesetzentwurfs im Finanzausschuss wurde erst mal vertagt. Wenn die Branche das Gesetz nicht wolle, könne man es auch lassen, hieß es.
Tatsächlich hatten die am 22. Oktober zu einer Anhörung des Ausschusses geladenen Sachverständigen dem Regierungsentwurf keine guten Zensuren erteilt. Mit ihrem Vorstoß will die Regierung steuerliche Anreize setzen, um die Bereitstellung von Wagniskapital für junge und mittelständische Unternehmen anzukurbeln. 465 Millionen Euro will Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sich das Ganze kosten lassen - aber eben auch nicht mehr. Zusammengefasst lief die Kritik der Sachverständigen darauf hinaus, dass die Fördervoraussetzungen zu eng geschnitten seien, um überhaupt eine nennenswerte Wirkung auf dem Markt für Beteiligungskapital erzielen zu können.
So bemängelte beispielsweise Professor Wilhelm Haarmann vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, dass nur Investitionen in Kapitalgesellschaften und diese auch nur innerhalb der ersten zehn Jahre ihres Bestehens gefördert werden sollen. Die Vorlage sei "stark verbesserungsbedürftig und unpraktikabel". Ähnlich argumentierte Thomas Pütter von der Allianz Capital Partners GmbH, der sich ein richtiges Standortförderungsgesetz gewünscht hätte. Mit "realitätsfremden Einschränkungen" werde Deutschland international nicht attraktiver für die Investoren. Für die Deutsche Beteiligungs-Aktiengesellschaft unterstrich Wilken Freiherr von Hodenberg, dass eine Gesellschaft, derer sich eine Gruppe von Investoren bedient, um Investitionen zu bündeln, nicht besteuert werden sollte. Dirk Sähnholz vom Bundesverband Alternative Investments nannte das Gesetz "überflüssig und schädlich". Er verwies auf das Ausland, wo Fondsstrukturen, in denen Geld gebündelt wird, steuerfrei oder steuertransparent seien. Marc Henning Diekmann von der CoInvest Finanz Consulting GmbH nannte das im Gesetzentwurf geforderte Mindestkapital von 20 Millionen Euro bei den Zielgesellschaften, in die investiert wird, eine "sehr problematische Voraussetzung" für eine Wagniskapitalbeteiligung. Allein durch Zukäufe von Patenten und Technologien gelange man schnell über diese Grenze.
Kritik kam auch aus den Reihen der Wissenschaft. Professor Lorenz Jarass von der Fachhochschule Wiesbaden plädierte dafür, nicht Finanzinvestoren zu unterstützen, sondern die Steuervorteile den Firmengründern direkt zukommen zu lassen. Die Gesetzesvorlage nannte er ein "Beschäftigungsprogramm für Steuerberater". Es sei zu befürchten, so Jarass, dass Arbeitsplätze im Finanzdienstleistungssektor ins Ausland "vertrieben" würden. Auch Dierk Hirschel vom Deutschen Gewerkschaftsbund riet dazu, bei der Kreditversorgung junger, innovativer Unternehmen und nicht bei der Beschaffung von Beteiligungskapital (Private Equity) anzusetzen. Hirschel rechnet mit Steuerausfällen von mehr als 500 Millionen Euro aufgrund eines zu erwartenden Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten durch das Gesetz. Hirschel sprach sich auch dafür aus, Wagniskapital und Private Equity der Gewerbebesteuerung zu unterwerfen.
Christoph von Einem, Rechsanwalt der Kanzlei White & Case LLP, forderte, dass die steuerliche Belastung von Veräußerungsgewinnen auf dem Private-Equity-Sektor im europäischen Vergleich wettbewerbsfähig sein müsse. Ebenso müssten Management-Leistungen von der Umsatzsteuerbelastung ausgenommen werden. Es gehe schließlich darum, die Diskriminierung von Beteiligungskapital in Deutschland abzubauen.