NACHHALTIGES WIRTSCHAFTEN
Immer mehr Unternehmen setzen ökologische und soziale Zeichen
Holger Heimbrechts Urteil fällt positiv aus: "Die Charta hilft den Beschäftigten an den Standorten in Entwicklungsländern." Bei den rund um den Erdball verteilten Firmenniederlassungen seien, wie der Betriebsratsvorsitzende der fränkischen Faber-Castell AG erläutert, der Verzicht auf Kinderarbeit und ausbeuterische Hungerlöhne, die Bezahlung der Beschäftigten "etwas über der landesüblichen Norm", eine ärztliche Versorgung und Freizeiteinrichtungen gesichert. All das ist die Folge einer Sozialcharta, die 2000 vom damaligen IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel und von Unternehmenschef Anton W. Graf von Faber-Castell unterzeichnet wurde. Die Vereinbarung garantiert zudem Arbeitnehmervertretungen in den fernen Dependancen. Heimbrecht: "Dabei dürfen wir gegenüber den dortigen Kollegen nicht als Besserwisser auftreten."
Faber-Castell setzt auch ökologische Zeichen. Die Schreib- und Malstifte werden überwiegend aus umweltverträglich produziertem Holz hergestellt: Die Firma unterhält in Brasilien auf Tausenden von Hektar nachwachsende Pinienwälder, die nebenbei zur Heimstatt selten gewordener Tierarten wurden, etwa von Ameisenbären oder Ozelots. Bei der Anfertigung der Stifte wird seit langem schadstofffreier Wasserlack verwandt. Sprecherin Sandra Suppa: "So haben wir jetzt einen Technikvorsprung." Faber-Castell praktiziert das, was als "Nachhaltiges Wirtschaften" oder als "Corporate Social Responsibility" gilt. Die Franken wurden zusammen mit den Schwarzwälder Elektrizitätswerken Schönau, die 650 ortsansässigen Bürgern gehören und umweltverträglich erzeugten Strom verkaufen, mit dem von mehreren Zeitungen verliehenen "Preis der Arbeit" ausgezeichnet. 70 Bewerbungen gingen für diesen Wettbewerb ein. Der "Markt" der Nachhaltigkeit scheint zu boomen.
Die Schokoladenfabrik Ritter Sport unterstützt in Nicaragua die Anpflanzung von Kakaobohnen ohne Düngemittel. Am Sitz im schwäbischen Waldenbuch läuft ein Blockheizkraftwerk, den Strom liefern die E-Werke Schönau. Sprecherin Petra Fix: "Bis zum heutigen Tag gibt es bei uns keine betriebsbedingten Kündigungen." Der Otto-Versand setzt sich auf afrikanischen Plantagen für einen chemiefreien Baumwollanbau und für eine angemessene Bezahlung der Feldarbeiter ein. Im hessischen Butzbach führt das Textil-Versandhaus Hess Natur umweltverträglich produzierte Kleider im Sortiment.
Europas größte Biobrauerei "Neumarkter Lammsbräu" hat nur Bier im Angebot, dessen Hopfen und Gerste rund 100 Landwirte in der bayerischen Oberpfalz ökologisch kultivieren. Die Lastwagen der Firma werden mit Pflanzenöl betankt. Die Deutsche Post bietet für 5,99 Euro und "ohne Aufschlag" (Sprecherin Nicole Mommsen) die "Pluspäckchen GoGreen": Zehn Cent des Verkaufspreises investiert sie in Umweltprojekte, um einen Ausgleich für den beim Pakettransport entstehenden Kohlendioxidausstoß zu schaffen. Gefördert werden unter anderem ein Methangasprojekt in Deutschland, die Wiederaufforstung südamerikanischer Regenwälder. Post-Managerin Monika Wulf-Mathies: "Mit der GoGreen-Initiative werden wir unserer Verantwortung für den Klimaschutz gerecht."
Auch die Gewerkschaften können Nachhaltigkeitskonzepten etwas abgewinnen. "Das ist im Prinzip positiv zu beurteilen", meint Jochen Schroth von der Wirtschaftsabteilung des IG-Metall-Vorstands. Er verweist darauf, dass im produzierenden Gewerbe die Materialkosten oft höher lägen als die Ausgaben für Gehälter, da eröffneten die Reduzierung des Energieverbrauchs und effizientere Betriebsabläufe enorme Einsparmöglichkeiten. Schroth: "Man darf nicht nur über die Senkung der Lohnkosten reden." In Nordrhein-Westfalen unterstützen IG Metall und Hans-Böckler-Stiftung kleine und mittlere Betriebe, indem sie Energieberater in solche Firmen schicken. Das Motto Nachhaltigkeit wird auch für Werbezwecke genutzt. Graf von Faber-Castell: "Unser Engagement hilft uns bei der Imagebildung unseres Unternehmens." Das trage dazu bei, "unsere Produkte besser bei bestimmten Zielgruppen zu verankern". Gewerkschafter Schroth hat dann nichts gegen Marketing dieser Art, wenn im Sinne der Nachhaltigkeit tatsächlich etwas bewirkt werde.
"Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander", bilanziert Andreas von Schumann von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Eine GTZ-Erhebung kommt zu dem Schluss, dass im Betrieb oft Fortschritte zu beobachten sind: Schadstoffemissionen werden vermindert, Recyclingquoten erhöht, Arbeitsabläufe humaner gestaltet. Doch lässt die Nachhaltigkeit der Produkte nicht selten zu wünschen übrig. Bei BMW etwa gelten Werkstoffeinsatz und Fabrikorganisation als ökologisch vorbildlich, doch kritisieren Umweltverbände den Kohlendioxidausstoß der Autos als zu hoch. BP investiert in die Solarenergie, Öko-Gruppen werfen indes dem Unternehmen vor, in Alaska Ölleitungen umweltgefährdend verrotten zu lassen. Viel Lob erhält hingegen Unilever: Der Konzern will nur noch Weißfisch aus bestandserhaltendem Fischfang verarbeiten. Der Leiter des Saarbrücker Info-Instituts, das Firmenberatung betreibt, appelliert an Aufsichts- und Betriebsräte, sich intensiver mit den Strategien ihrer Unternehmen zu befassen: "Die wenigsten Unternehmen haben sich auf die Fahnen geschrieben, eine sozial verantwortliche Politik zu machen."