FINANZMÄRKTE
Die Hypothekenkrise hat die Position der Industrieländer im Internationalen Währungsfonds geschwächt. Wirtschaftlich robuste Schwellenländer fordern mehr Mitsprache.
Die Weltbank ist wieder auf Kurs." Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), seit neun Jahren deutsche Vertreterin in der Weltbank, verließ vergangene Woche sichtlich zufrieden die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Washington. Das lag vor allem am neuen Weltbank-Präsidenten Robert Zoellick.
Der US-Amerikaner hat für frischen Wind gesorgt. Er stützt sich auf diealten Mitarbeiter, hat keinen eigenen Stab mitgebracht und versucht stärker als seine Vorgänger ,auch Experten aus den Entwicklungsländern an die Spitze der Bank zu bringen. Armutsbekämpfung und Klimaschutz scheinen unter Zoellick einen neuen Stellenwert zu bekommen. Erster Gradmesser von Zoellicks Ansatz wird sein, ob er die Industrieländer dazu bringt, ihr 42 Milliarden Dollar-Versprechen für die Wiederauffüllung des Weltbankfonds IDA für die 81 ärmsten Länder einzuzlösen. Bis zum Jahresende will es Zoellick schaffen.
Ganz anders sieht es auf der anderen Seite der 19. Straße aus. Der Internationale Währungsfonds (IWF) befindet sich in einer schwierigen Lage. Die Stimmrechtsreform steckt trotz aller Beteuerungen des scheidenden Direktors Rodrigo Rato nicht nur fest, die 185 Mitgliedsländer sind von einer Einigung weiter entfernt als noch vor dem Treffen. Vor einem Jahr noch hatten die Industrieländer Korea, Mexiko, Türkei und China erste Zugeständnisse bei den Quoten gemacht.
In Washington klagten Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundesbank-Präsident Axel Weber über unerwartete Rückschritte. "Wir sind wieder dort angekommen, wo wir einmal angefangen haben", sagte ein sichtlich verstimmter Minister. Auch in der Frage, wie sich der IWF künftig finanzieren soll, brachte die Jahrestagung keine neuen Erkenntnisse.
Der Fonds ist 2006 in die Verlustzone gerutscht, weil es kaum noch Großkredite gibt und damit Zinseinnahmen fehlen. Die Schwellenländer sind dank der hohen Rohstoffeinnahmen und ihrer wirtschaftlichen Erfolge kaum noch auf die Unterstützung des IWF angewiesen. Vor allem die deutsche Seite dringt auf eine Begrenzung der Ausgaben. Ein Stellenabbau beim IWF ist längst kein Tabu mehr. Derzeit beschäftigt der Fonds rund 2.700 Menschen. Beides sind Themen, die für den neuen IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn nach seinem Amtsantritt am 1. November ganz oben auf der Aufgabenliste stehen werden.
Auch wenn in Washington keine konkreten Ergebnisse, sondern sogar eher Rückschritte zu verzeichnen waren - deutlich wurde, dass sich die Schwellenländer nicht mit Plätzen in der dritten und vierten Reihe zufrieden geben. Dass im IWF die USA mit knapp 17 Prozent der Quoten und Stimmen sowie die anderen Industrieländer mit weiteren 35 Prozent faktisch allein das Sagen haben, entspricht längst nicht mehr den globalen wirtschaftlichen Verhältnissen. Staaten wie China, Indien, Mexiko, Brasilien oder Korea haben massiv aufgeholt, sitzen auf milliardenschweren Devisenreserven. Auch in westlichen Bankenkreisen mehren sich die Stimmen, die eine Erweiterung des illustren Kreises der G-7-Staaten auf eine G-11 fordern. Waren früher meist die Schwellenländer die Auslöser von Krisen, so liegt die Ursache jetzt in den Industrieländern.
Die Schieflage bei Hypotheken in den USA und waghalsige Finanzgeschäfte westlicher Banken haben im Sommer die Probleme ausgelöst. Nicht nur der brasilianische Finanzminister Guido Mantega wies in Washington auf die veränderten Vorzeichen hin. Mehr noch: Die Schwellenländer helfen derzeit den reichen Staaten bei der Bewältigung der Krise. Ihre Volkswirtschaften laufen so gut, dass sie mit ihrer starken Exportnachfrage die Schwäche der Binnenmärkte in den Industrieländern ausgleichen. Daher verwundert es nicht, dass China, Indien, Brasilien oder Mexiko mehr Mitsprache bei IWF und Weltbank einfordern. Minister und Notenbankchefs aus den Industriestaaten jedenfalls gaben in Washington kein überzeugendes Bild ab. Auch die zahlreichen Banker aus dem Westen konnten diesen Eindruck nicht korrigieren. Er fahre alles andere als beruhigt nach Hause, sagte Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller in der US-Hauptstadt. Der Markt sei weiter intransparent, viele Risiken lägen noch im Dunkeln. Auch Peer Steinbrück traut der Ruhe nicht. Weitere Schieflagen bei Banken seien nicht auszuschließen, auch wenn er keine konkreten Hinweise habe.
Die Geldhäuser, ob in den USA oder in Europa, wissen derzeit nicht, wie sie der Probleme bei Verbriefungen und nur schwer durchschaubaren Risikopapieren auf Dauer Herr werden sollen. Die mächtige Bankervereinigung IIF mit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann an der Spitze will die Lage analysieren und bis zum Frühjahr Regeln für mehr Transparenz formulieren. Damit würden die Institute nicht nur dem Misstrauen untereinander entgegentreten, sondern kämen auch einer Forderung von Ministern, Notenbank-Chefs und des IWF nach.
Transparenz gilt als Schlüsselwort, um künftigen Finanzmarkt-Krisen vorzubeugen. Zumindest bei den umstrittenen Hedge-Fonds und den kapitalkräftigeren Staatsfonds, ließ Steinbrück in Washington durchblicken, bewegen sich Briten und Amerikaner auf die Forderungen der Bundesregierung zu. Auch hier wird Strauss-Kahn den Fonds neu positionieren müssen.