Wenn Vizekanzler Franz Müntefering, von den Sozialdemokraten liebevoll "Münte" genannt, in dieser Woche seine Ämter aufgibt, wird er eine riesige Lücke hinterlassen. Die SPD verliert ihren gewieftesten Strategen, ihren eloquentesten Redner und ihren bekanntesten Kopf. Für ihren engsten Vertrauten auf SPD-Seite hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel warmherzigere und würdevollere Worte wählen sollen, als Sie den Schritt kommentierte - auch aus Respekt vor der privaten Situation des Vizekanzlers.
Auf politisch Interessierte kommen nun harte Zeiten zu - nicht nur wegen der Machtverschiebungen innerhalb der Regierung. Die gemeinsamen Themen von Schwarz-Rot sind längst ausgeschöpft, bei fast allen anderen Projekten gibt es nur noch Zoff. Willkommen im Dauerwahlkampf, den wir jetzt schon beim Mindestlohn erleben können. Dabei hätten die Spitzen von Union und SPD sich in dieser Situation ruhig an einem guten Fußballtrainer orientieren können. Nach der ersten Halbzeit zieht der oberste Kicker in der Kabine gnadenlos Bilanz, schaut nach vorne und sortiert die Mannschaft gegebenenfalls neu. Derzeit sieht es jedoch nicht danach aus, als ob die Parteichefs der Großen Koalition die Gunst der Stunde ergreifen, um die Regierung personell und inhaltlich neu aufzustellen.
Das Schlimmste ist, dass die Merkel-Mannschaft selbst nicht wirklich an eine brillante zweite Halbzeit glaubt. In die Verlängerung der Großen Koalition will ohnehin kaum einer mehr gehen, vielmehr träumen beide Seiten längst von einem ganz anderen Spiel mit einer anderen Mannschaftszusammensetzung. Auf eine Art zweiten Koalitionsvertrag mit konkreten Projekten bis 2009 dürfen die Zuschauer nicht hoffen. Eher erwartet sie ein langweiliges Spiel mit vielen Fehlpässen und Eigentoren.