KOALITION
Becks Entscheidung gegen Berlin war klug, sagen Politikwissenschaftler
Die Koalition ist nach dem Rücktritt Franz Münteferings (SPD) als Bundesarbeitsminister und Vizekanzler geschwächt, aber zerbrechen wird sie nicht. Davon zeigten sich Politikwissenschaftler nach der Aktuellen Stunde im Bundestag zum Zustand der Großen Koalition am 14. November überzeugt. Auch habe der SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck gut daran getan, als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz zu bleiben, sagten übereinstimmend die Professoren Eckhard Jesse von der Technischen Universität Chemnitz und Jürgen Falter von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
In der von den Oppositionsfraktionen gemeinsam beantragten Aktuellen Stunde kritisierte FDP-Chef Guido Westerwelle Becks Entscheidung, in Mainz zu bleiben. Vor zwei Jahren habe die SPD auch Edmund Stoibers Weigerung bemängelt. "Ihr Stoiber heißt Beck", so Westerwelle. Beck habe richtig gehandelt, sagte dagegen die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles. Münteferings Nachfolger, Frank-Walter Steinmeier als Vizekanzler und Olaf Scholz als Arbeitsminister, dürften die Lücke "mit großer Sicherheit" ausfüllen, sagte Nahles. "Als Parteivorsitzender kann er viel härter mit der CDU ins Gericht gehen, wenn er dem Koalitionspartner nicht jeden Tag ins Gesicht sehen muss", zeigte auch Falter im Gespräch mit dieser Zeitung Verständnis für die Entscheidung. Jesse sah das genauso. Der Rückzug Münteferings schwäche die Regierung momentan zwar, weil "die Person fehlt, die die Brücke von der SPD zur CDU schlagen konnte". Müntefering habe "ein hohes Maß an Verlässlichkeit und ein hohes Standing bei CDU und SPD" gehabt, so Jesse.
FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke warfen der Regierung in der Aktuellen Stunde außerdem Entscheidungslosigkeit vor. Auslöser war die Sitzung des Koalitionsausschusses vom 12. November gewesen, bei dem die Union ihre Zustimmung zum Mindestlohn für Briefzusteller verweigert hatte. "Im normalen Leben lassen sich Menschen bei so was scheiden", meinte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast.
Auch SPD-Vertreter zeigten sich wütend über die Haltung der Union. "Es wird jetzt tatsächlich mit harten Bandagen gerungen", kündigte Nahles an. Eine Trennung, wie von Künast befürwortet, werde aber nicht kommen, war Jesse überzeugt. Die Koalition werde allein schon wegen der mangelnden Alternative halten, meinte auch Falter. "Andere starke Partner gibt es nicht."