Kriminalität
Angst vor dem rechtsfreien Raum
Der Tatort Internet wird immer größer. 165.720 Straftaten wurden nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) im Jahr 2006 erfasst. Davon entfielen 80 Prozent auf Betrugsdelikte. Dies bedeute eine Zunahme um 40,4 Prozent, erklärte BKA-Präsident Jörg Ziercke bei der diesjährigen BKA-Herbsttagung vom 20. bis 22. November. Angesichts dieser Entwicklung unterstrichen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Ziercke ihre Forderung nach der Einführung von Online-Durchsuchungen.
"Wir dürfen nicht zulassen, dass sich im Internet ein rechtsfreier Raum entwickelt, der sich dem Rechtsstaat entzieht", so Schäuble. Egal ob Wirtschaftskriminalität, Kinderpornographie oder Terrorismus: Das Netz bietet dank technischer Innovationssprünge, Kryptisierung und Anonymisierung für alle Kriminalitätsarten eine flexible und sichere Plattform. Den technologischen Fortschritt, den die Täterseite längst vollzogen habe, müsse die Polizei so schnell wie möglich nachholen, so Ziercke: "Wir brauchen eine Kriminalistik der digitalen Welt." Auch der islamistische Terrorismus hat das World Wide Web längst für sich entdeckt. Hamas, Al-Qaida, Hisbollah, PKK, Leuchtender Pfad: "Alle sind online", so Gabriel Weimann, Professor für Kommunikation an der Universität Haifa. Weimanns Institut analysiert seit neun Jahren die einschlägigen Webseiten. Zwölf waren es 1998, im Jahr 2003 schon 2.650. Mittlerweile sind es 5.860 Seiten, die Terroristen für Propaganda, Rekrutierung und Ausbildung des Nachwuchses und die Akquise von Geld nutzen.
Al-Qaida etwa nutze das Netz nach dem fast vollständigen Verlust der physischen Basis durch den Afghanistankrieg als Fernuniversität und virtuelles Trainingscamp, beobachtet Yassin Musharbash, Redakteur bei "Spiegel-Online". Alles terroristisch nutzbare Wissen von den Grundlagen der Sprengstoffphysik über Anleitungen für den Ausbau von Terrorzellen bis hin zur Organisation von Entführungen sei im Cyberspace verfügbar. Für Schäuble ist das Internet zum "Leitmedium des heiligen Krieges gegen die westliche Welt" geworden.
Zu den Antworten darauf zählt für ihn die Online-Durchsuchung: "Es geht nicht darum, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, sondern um die Ultima Ratio der Terrorismusabwehr."