Klimawandel
Vor unseriösen Katastrophen-Propheten warnt Kurt Büchel - und schwingt sich selbst zu einem auf
Wir stehen vor einer planetaren Notfallsituation", warnt der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger Al Gore mit Blick auf die Klimaerwärmung. Eine Meinung, der sich inzwischen viele Politiker bis hin zur Bundeskanzlerin Angela Merkel angeschlossen haben. Umso vehementer melden sich die so genannten Skeptiker zu Wort, die bezweifeln, dass vom Menschen erzeugte Treibhausgase Klimaveränderungen hervorrufen. Der Sachbuchautor Kurt G. Blüchel warnt in seinem Buch "Der Klimaschwindel" vor den "selbsternannten Alarmisten" vom UN-Ausschuss für den Klimawandel (IPCC), die uns nur "bevormunden und abzocken" wollten. Sie und andere "Katastrophisten" verbreiteten lediglich "Horrorszenarien", um uns "in Angst und Schrecken" zu versetzen. Blüchels wutschnaubende Abrechnung mit den "CO2- Jägern" vom Weltklimarat präsentiert fragwürdige Fakten und pseudowissenschaftliche Argumente, um Wasser auf die Mühlen jener zu gießen, die von einer Mitverantwortung an der globalen Erwärmung nichts wissen wollen.
Klimaveränderungen hat es schon immer gegeben, weiß auch Blüchel. Das Klima und mit ihm die Menschheit seien ständiger Veränderung unterworfen. In klimatisch günstigen Zeiten entstünden neue Hochkulturen, während ganze Zivilisationen wieder verschwänden, wenn der Wettergott die Sintflut schicke. Der Mensch, belehrt uns Blüchel, soll sich angesichts dieser biblischen Gewalten nicht anmaßen, selbst in das Geschehen eingreifen zu können - auch nicht unabsichtlich. Und schon gar nicht soll man glauben, die moderne Wissenschaft sei dazu in der Lage das zukünftige Klima zu berechnen. Die Computermodelle erstellten "politisch gefärbte Klimaprognosen mit Rechnern, die lediglich auf warme Daten programmiert sind".
Der verdutze Leser erfährt, dass die "zum Glaubensdogma erhobene Hypothese vom natürlichen Treibhauseffekt dem Newton'schen Abkühlungsgesetz widerspricht", Kohlendioxid könne daher gar kein "Klimakiller" sein. Hätte Blüchel nur einmal in ein Physik- oder Meteorologielehrbuch geschaut, wüsste er, dass der natürliche Treibhauseffekt heute zum physikalischen Grundwissen gehört. Die Treibhauswirkung des CO2 kann in einem einfachen Schulphysik-Experiment nachgewiesen werden - und steht in keinerlei Widerspruch zu den Newton'schen Gesetzen. Dies passt aber nicht in Blüchels Weltbild, der CO2 als den "guten Mineralgeist" ansieht, der erst alles Leben auf diesem Planeten ermöglicht. Die Zunahme der CO2-Konzentration sei eine naturgegeben Variation, die unsere Ernteerträge steigere und auch sonst nur Gutes hervorbringe.
Anstatt sich dem mühseligen Studium der Fachliteratur zu widmen, bezieht Blüchel seine Kenntnisse lieber aus Zeitungsartikeln oder Zeitschriften wie "raum&zeit", einer Publikation für "Naturheilverfahren, Biophysik und verwandte Gebiete". Entsprechend präsentiert er fragwürdige Zahlen, mit denen er etwa zu belegen versucht, dass "das Trillionenvolk der Insekten" weit mehr CO2 ausstößt, als die Menschheit durch den Verbrauch fossiler Energieträger. Dass die Tiere die gleiche Menge Kohlendioxid ausatmen, die sie vorher über ihre Nahrungskette aus der Atmosphäre entnommen haben, ist ihm nicht bewusst. Ihm fehlt offenbar jedes Grundverständnis für die Stoff-Kreisläufe unserer Erde und der physikalischen Gesetze die sie antreiben. Stattdessen beschäftigt er sich mit allerlei Verschwörungstheorien, die allenfalls in losem Zusammenhang mit dem eigentlichen Thema des Buches stehen. Er warnt beispielsweise vor niederfrequenten "ELF-Wellen", die von den USA genutzt würden, um einen "negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit der Bevölkerung ganzer Regionen auszuüben".
Da verwundert es kaum noch, dass sein Buch am Ende eine bizarre Wendung nimmt. Nachdem Blüchel den Leser zu Beginn noch nachdrücklich vor den Katastrophen-Propheten gewarnt hat, schwingt er sich nun selbst zum Alarmisten auf: Er befürchtet die Destabilisierung des Methanhydrats, das in riesigen Mengen am Grund der Ozeane lagert. Bei zunehmenden Temperaturen setzt es Methan frei, das in die Atmosphäre gelangt, dort zum Teil in Kohlendioxid umgewandelt wird und das Klima aufheizt - dass es dazu des Treibhauseffektes bedarf, dessen Existenz Blüchel vier Kapitel vorher noch abgestritten hat, stört ihn an dieser Stelle nicht. Es setzt sich eine verhängnisvolle Spirale in Gang, in deren Folge die Kontinentalhänge im Meer abrutschen und gewaltige Tsunamis entstehen. Ganze Landstriche würden verwüstet, ein wahrhaft apokalyptisches Szenario, aber damit nicht genug, denn Blüchel droht: "es kann schon morgen passieren".
Derart in Angst und Schrecken versetzt, fragt sich der Leser, ob er bei den "katastrophenlüsternen" Experten des IPCC und ihren nüchternen, wissenschaftlich fundierten Analysen nicht doch besser aufgehoben ist.
Der Klimaschwindel Erderwärmung, Treibhauseffekt, Klimawandel - die Fakten
C. Bertelsmann, München 2007; 335 S., 14,95 ¤