Die Bewohner des Lausitzer Oberlandes rüsten auf: mit Alarmanlagen und Sicherheitsrolläden. Im Grenzstädtchen Ebersbach hat sich eine Kleingarten-sparte die letzten Rollen Nato-Zaun gesichert, die vom diesjährigen Gipfeltreffen in Heiligendamm im Angebot waren. Die Sorge geht um, dass sich Einbrüche und Diebstähle häufen werden, wenn die Kontrollen an der Grenze zum nahen Tschechien entfallen und die dort wachhabende Bundespolizei personell ausgedünnt wird. Der Bürgermeister von Ebersbach, Bernd Noack, spricht von einer Zunahme der Eigentumsdelikte von bis zu 25 Prozent, seit die Grenze zum tschechischen Nachbarn durchlässiger geworden ist.
Dass die Innen- und Justizminister der EU Anfang Dezember den Wegfall der Personenkontrollen an den EU-Binnengrenzen von neun weiteren Mitgliedstaaten bereits für den 21. Dezember dieses Jahres beschließen würden, hat die Ebersbacher kalt erwischt. Mit dem Beitritt Polens und Tschechiens zum Schengen-Raum sollen 670 Bundespolizisten aus Sachsen abgezogen werden, heißt es. Innenminister Albrecht Buttolo beschwichtigt: "Die Bundespolizei wird nicht schlagartig abgebaut, das vollzieht sich nach und nach bis 2009." Mit einer mehrtägigen Besuchstour in den Grenzorten versuchte er, das Informationsdefizit abzubauen.
Auch der eigens aus Berlin angereiste Abteilungsleiter Bundespolizei im Bundesinnenministerium, Rüdiger Kass, gibt sich gelassen. "Der Bürger wird die Bundespolizei sogar stärker wahrnehmen, weil sie zweieinhalb- bis dreimal so viel Streife laufen wird wie bisher." Das interessiert auch die Polizisten in den blauen Uniformen, die zur Grenztour des sächsischen Innenministers gekommen sind. Denn "die Bundespolizei weiß selber nicht, wie sie ab dem 22.12. aufgestellt ist", sagte ihr Vertreter in der Gewerkschaft der Polizei, Josef Scheuring, in einer Fernsehsendung.
Was sie und die Länderpolizei seit dem EU-Beitritt Polens und Tschechiens geleistet haben, dringt dem Beobachter der Grenzreise unmittelbar ans Ohr: Einige Polizisten sind schon so sattelfest in der jeweiligen Sprache des Nachbarlandes, dass sie fließend übersetzen können. Gemeinsame Streifengänge, Lagebilder, Schwerpunktaktionen und Ermittlungsgruppen hat es in der Vergangenheit bereits gegeben. Künftig sollen Schleierfahndungen und verdachtsunabhängige Kontrollen vor allem bei LKW im Grenzraum intensiviert werden. Gleiches gilt für die deutsch-polnische Grenze in Brandenburg. Die Bundespolizei wird dabei in einem 30-Kilometer-Korridor aktiv sein. Dass die automatische Kennzeichenerfassung trotz der Bedenken von Datenschützern im Sächsischen Landtag beschlossen wird, ist für Sachsens Innenminister sicher. Auch der Datenaustausch über das Schengen-Informations-System (SIS) funktioniere und werde durch die Erfassung biometrischer Daten künftig erweitert.
In Bad Muskau berichtet der Vertreter der polnischen Kriminalpolizei stolz von einem zehnprozentigen Rückgang der Kriminalität im Grenzraum. Gelassen fügt er hinzu: "Nicht alle Straftäter werden gleich nach Deutschland fahren. Wir haben auch keine Angst vor Straftätern aus Deutschland. Die Tage nach dem 21.12. werden so aussehen wie die davor." Mit einer Ausnahme: Der Bürgermeister des benachbarten Leknica hat zur Feier des Tages ein Bürgertreffen auf der Grenzbrücke im Fürst-Pückler-Park angekündigt - und das weckt wieder nostalgische Erinnerungen...