GENTECHNIK
Sowohl Gegner als auch Befürworter lehnen die geplante Gesetzesnovelle ab
Eines eint derzeit die Gentechnikbefürworter und ihre Gegner - die Unzufriedenheit mit der Gentechnik-Novelle der Bundesregierung ( 16/6814 ). Während die einen um die Wettbewerbsfähigkeit des Innovationsstandorts Deutschland fürchten, sehen die anderen die Produktion gentechnikfreier Lebensmittel in Gefahr. Dabei sollte das neue Gesetz Erleichterungen bringen. Erleichterungen etwa für die Betreiber gentechnischer Anlagen durch die Umstellung von der Anmelde- zur Anzeigepflicht, mit der Folge, dass der Betreiber sofort nach Eingang der Anzeige bei der zuständigen Behörde mit den Arbeiten beginnen kann.
Sie begrüße diese Umstellung, sagte Professorin Inge Broer von der Universität Rostock während einer öffentlichen Anhörung des Agrarausschusses am 26. November. Allerdings halte sich der praktische Vorteil für die Labore in engen Grenzen. Enttäuscht zeigte sich die Biotechnologin ebenso wie viele andere Experten davon, dass der Gesetzgeber beim Novellieren einiges ausgespart hatte. Nach wie vor ist der Zugang zum Standortregister für Gentechnik-Anbauflächen öffentlich und damit die exakte Lage von Genmais-Anbauflächen bekannt - nach wie vor bestehen auch die verschuldensunabhängigen Haftungsregelungen für Landwirte, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) anbauen, fort.
Die Angaben zur exakten Lage der Freisetzungsflächen, so Broer, hätten in den letzten Jahren zu vielen Zerstörungen und damit verbundenen ökonomischen Verlusten geführt. Gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die von einer "Einladung zur Feldzerstörung" sprach, forderte sie, lediglich den Namen der Gemeinde und die Postleitzahl im Internet zugänglich zu machen.
Für den Deutschen Bauernverband (DBV) ist die Beibehaltung der verschuldensunabhängigen Haftung "nicht akzeptabel". Dem Gesetz zufolge müssen GVO-Anbauer für Schäden durch Auskreuzungen bei benachbarten gentechnikfreien Landwirten haften. Wer beim Anbau alle Regeln der "guten fachlichen Praxis" einhalte, so forderte der DBV, dürfe nicht dem Risiko einer Haftung ausgesetzt werden. Stattdessen müsse in diesen Fällen ein Haftungsfonds die Schäden ausgleichen, in den sowohl die Saatgut-Industrie als auch die GVO-Landwirte einzahlen sollten..
Einen derartigen Haftungsfonds lehnt hingegen die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) ab. Die Regelungen des Zivilrechts reichen ihrer Ansicht nach aus, um mögliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen auszugleichen. Dennoch überwiegt auch bei der DIB die Kritik, da das Gesetz den Innovationsstandort Deutschland schwäche. Gefordert wird daher, die Angaben im öffentlich zugänglichen Teil des Standortregisters auf die Gemarkung zu beschränken, um Zerstörungen auf GVO-Feldern zu verhindern. Als "wissenschaftlich nicht begründet" werden die Anbauabstände von GVO-Mais zu herkömmlichem Mais von 150 Metern und zu ökologisch bewirtschafteten Flächen von 300 Metern abgelehnt.
Positiv ist aus Sicht der DIB hingegen die Möglichkeit privater Absprachen zwischen benachbarten Landwirten. Das sei ein "Schritt in die richtige Richtung", um die gewünschte Koexistenz zwischen GVO-Anbau und GVO-freiem Anbau zu gewährleisten. Auch die Biotechnologin Broer sieht es als "wichtig" an, solche Privatabsprachen zu ermöglichen. Könnte man sich auf den Anbau von so genannten Mantelsaaten einigen, so wäre dies ein besserer Schutz gegen Auskreuzungen als die Mindestabstände. Rechtsanwalt Achim Willand aus Berlin kann derartigen Regelungen hingegen nichts Positives abgewinnen. Es sei im Interesse der Allgemeinheit, Lebensmittel vor einer schleichenden Verunreinigung zu schützen. Dies zu überwachen, sei Aufgabe der zuständigen Behörden, da es sonst zu einem Verlust an Transparenz und Kontrolle über die Verwendung von GVO kommen würde.
Durch die vorgesehenen Regelungen würden schleichende Kontaminationen in Kauf genommen, kritisierte Rechtsanwältin Katrin Brockmann. Eine Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten und gentechnikfreien Ernteprodukten sei nicht gewährleistet. Verschärft würde die Problematik durch private Vereinbarungen, mit denen die Regelungen der guten fachlichen Praxis außer Kraft gesetzt würden.
Wahlfreiheit und eine gentechnikfreie Landwirtschaft sind nach Ansicht des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) durch das Gesetz massiv gefährdet. Es müsse auch zukünftig möglich sein, gentechnisch unveränderte landwirtschaftliche Produkte zu erwerben, die nicht durch die Folgekosten der Gentechnik verteuert sind. Auch der BÖLW bemängelte die vorgesehenen Haftungsregelungen, allerdings aus anderen Gründen als der Bauernverband. Sie seien unzureichend, da sie erst bei einer Verunreinigung von 0,9 Prozent greifen würden. Dieser Grenzwert sei zu hoch angesetzt. Wolle man Kontamination verhindern, müsse der Wert auf 0,1 Prozent gesenkt werden.
Bedenken grundsätzlicher Art gegen die grüne Gentechnik hat das Kommissariat der deutschen Bischöfe. Die Natur sei eine Schöpfung Gottes, die der Mensch nicht beliebig für seine Zwecke nutzen und verändern dürfe. Es sei fraglich, ob eine dauerhafte Koexistenz der unterschiedlichen landwirtschaftlichen Anbauweisen organisierbar ist, da eine Verunreinigung unter natürlichen Bedingungen unvermeidbar erscheine. Vor diesem Hintergrund, so die deutschen Bischöfe, spreche derzeit vieles dafür, möglichst restriktive Regelungen vorzusehen.