Man hätte ihn "Euro-Vision" nennen können. Oder "Zusammen in die Zukunft". Aber Namen sind in der EU alles andere als Schall und Rauch. Geht es um Symbolik, reagieren die Mitgliedstaaten äußerst empfindlich. Daher werden sich die 27 Staats- und Regierungschefs in zwei Wochen quasi in der Luft zerreißen, um in Lissabon den "Vertrag von Lissabon" zu unterzeichnen. Danach steigen Chefs und Delegationen wieder in ihre Flieger und machen sich auf den Weg nach Brüssel, wo am nächsten Morgen der übliche EU-Gipfel beginnt.
Alles ganz prima eigentlich, schließlich jetten Spitzenpolitiker ohnehin ständig um die Welt, und ein bisschen Sonne im Dezember ist gut für Stimmung und Immunsystem. Die vermutlich anfallenden 135 Tonnen Treibhausgase sind im Vergleich mit dem, was für andere politische oder sportliche Mammut-Ereignisse in die Luft geblasen wird, auch relativ. Dumm nur, dass der anstehende EU-Reisezirkus genau das untergräbt, worauf sich die Staatenlenker erst im März eingeschworen haben: Wir kämpfen gegen Erderwärmung, dass sich die Welt noch umgucken wird!
Gegen die Idee, auch den Gipfel in Lissabon abzuhalten, waren die Belgier Sturm gelaufen. Laut EU-Recht müssen zwei der drei jährlichen EU-Spitzentreffen in Brüssel stattfinden - der Gastgeber-Status ist eine lukrative Sache. Doch die einstündige Vertragsunterzeichnungszeremonie im historischen Jerónimos-Kloster plus Mittagessen im örtlichen Kutschen-Museum wollte Portugal sich nicht nehmen lassen.
In deutschen Diplomatenkreisen heißt es, man sei über die Vielfliegerei nicht glücklich, aber es sei nun mal eine nette Geste gegenüber den Portugiesen. Die haben zwar schon die Lissabon-Strategie, doch für deren Ziel, die Europäische Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, sieht es wenig rosig aus. Vielleicht macht der mit Ach und Krach auf den Weg gebrachte EU-Vertrag dem namengebenden Ort mehr Ehre. Obwohl Lissabon das gar nicht nötig hat. "Euro-Vision" wäre wohl besser gewesen.