Der Ruf der Kassandra haftet ihm schon seit Jahrzehnten an: Peter Scholl-Latour hat sich in seinem über 60-jährigen Wirken als Journalist nie durch Wunschdenken oder politische Rücksichtnahmen seinen nüchternen Blick auf die Welt verstellen lassen. Damit eckte er oft an - und genau so oft behielt mit seinen pessimistischen Einschätzungen Recht. Doch so düster wie sein aktuelles kam noch keines der Bücher des 83-Jährigen daher. Den Zerfall der europäischen Kolonialreiche, den er in Afrika und Südostasien journalistisch begleitete, vor Augen sieht er nun auch die USA an ihrem imperialen Anspruch scheitern. Nicht viel rosiger sieht Scholl-Latour die Zukunft Europas: fragmentiert, ohne Vision, das historische und kulturelle Erbe vernachlässigend.
Leider geht zwischen all den Reiseberichten aus den USA, aus Europa und China, dem Mittleren und Nahen Osten, den Analysen und historischen Rückblicken der rote Faden des Öfteren verloren. Der Buchtitel "Zwischen den Fronten" wirkt da beinahe programmatisch. Wahre Scholl-Latour-Fans kommen trotzdem auf ihre Kosten.
Zwischen den Fronten. Erlebte Weltgeschichte.
Propyläen Verlag, Berlin 2007; 363 S., 24,90 ¤