VERKEHR
Mehr Geld für Straßenwesen, Schienen und Wasserwege
Wenn Autofahrer im kommenden Jahr mal wieder schimpfend im Stau stehen, dann können sie sich zumindest damit trösten: Ihr Steuergeld ist an die richtigen Stellen geflossen. Denn häufigster Grund für Staus auf Bundesstraßen und -autobahnen sind Baustellen - und davon wird es im kommenden Jahr voraussichtlich einige mehr geben. Um rund 225 Millionen Euro hat der Bundestag in seinen Haushaltsberatungen nämlich den ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehenen Betrag für Neubau, Ausbau und Erhalt der Bundesfernstraßen erhöht. Damit stehen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) im kommenden Jahr 4,55 Milliarden Euro (2007: 4,54 Milliarden Euro) alleine für Bau und Erhalt der Bundesfernstraßen zur Verfügung. Insgesamt kann Tiefensee im kommenden Jahr über 24,39 Milliarden Euro verfügen. Und obwohl das rund 216 Millionen Euro weniger sind als im laufenden Haushaltsjahr (minus 0,9 Prozent) zeigte sich der Minister bei der Bundestagsdebatte zum Einzelplan 12 am 27. November zufrieden. "Der Einzelplan 12 ist ein guter Einzelplan, ein Haushalt für die Zukunft", gab sich Tiefensee betont positiv gestimmt.
Aufgrund der Verantwortung für Autobahnen, Straßen, Wasserstraßen und alle dazugehörigen Anlagen ist der Verkehrshaushalt traditionell der Etat mit dem mit Abstand größten Investitionsanteil im Bundesetat. Das ist auch dieses Jahr beim insgesamt viertgrößten Einzelplan - nach den Etats für Arbeit und Soziales, Verteidigung und der Bundesschuld - wieder der Fall. Mit 13,18 Milliarden Euro werden mehr als 50 Prozent (2007: 12,69 Milliarden Euro) des Verkehrsetats investiert: 4,55 Milliarden Euro in Straßen und Autobahnen, 3,6 Milliarden Euro in die Schiene und 800 Millionen Euro in die Bundeswasserstraßen. Der im Vergleich zum vergangenen Jahr gesteigerte Investitionsanteil entspricht damit dem Tiefenseeschen Mantra "weniger konsumieren, mehr investieren".
Die Opposition beruhigt dieses Mantra allerdings nicht, was kaum verwundert. Die vom Verkehrsminister und den Koalitionären gelobte Steigerung des Investitionsanteils sei bei weitem nicht ausreichend, kritisierte die FDP-Haushaltsexpertin Claudia Winterstein. "Bei den öffentlichen Investitionen steht Deutschland in der Europäischen Union auf dem vorletzten, nämlich dem 26. Platz von 27. Hauptursache für diese peinliche Tatsache sind die zu geringen Verkehrsinvestitionen", klagte die Liberale. Und das trotz Rekordeinahmen bei der Maut. Die eingenommenen 3,4 Milliarden Euro seien ursprünglich einmal als "zusätzliche Mittel für Verkehrsinvestitionen" geplant gewesen, jetzt ersetzten sie lediglich andere Posten. Die schwarz-rote Regierung investiere mittlerweile sogar weniger als Rot-Grün noch ohne Maut investiert habe. Die Bundesregierung mit dem "schwachen" Verkehrsminister Tiefensee, der sich in der Regierung offenbar nicht durchsetzen könne, betreibe seit Jahren "Mautbetrug", wetterte Winterstein.
Der für die Grünen gewichtigste Schwachpunkt des Verkehrsetats ist dagegen unsichtbar. "Gemessen an der Herausforderung, dass man im Verkehrs- und Gebäudebereich ziemlich viel an CO2-Ausstoß reduzieren muss, ist es außerordentlich mager, was das Ministerium und die Große Koalition vorgelegt haben", rückte Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann den Klimaschutz in den Mittelpunkt der Kritik. Um die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgerufene CO2-Reduktion bis 2020 zu schaffen, müssten im Verkehrs- und Gebäudebereich etwa 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Angesichts dessen sei es "außerordentlich peinlich", kleine Projekte wie das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, die man ganz gut finden könne, mit denen jährlich aber lediglich eine Tonne CO2 eingespart werde, lobpreisend vor sich her zu tragen, sagte Hermann. Für die Linken sind es vor allem Großprojekte wie der Transrapid in München, der Bahnhofsumbau "Stuttgart 21" und der Thüringer-Wald-Tunnel, mit denen, so die Linke Verkehrspolitikerin Dorothe Menzner, zu viel Geld "verplempert" wird. Die Linke lehne diese "milliardenschwere Geldverschwendung" ab. Die Koalition wolle mit dem Zauberstab regieren, obwohl sie keinen Harry Potter in ihren Reihen habe, kritisierte Menzner.
Ganz anders, auch das darf nicht verwundern, interpretieren CDU/CSU und SPD die von der Opposition kritisierten Zahlen. "Der Einzelplan 12 ist der klare Gewinner der Haushaltsberatungen 2008", jubelte beispielsweise Frank Schmidt (SPD) mit Verweis auf den "Rekord"-Investitionsanteil von 54,1 Prozent im Verkehrshaushalt. Auch wenn sein CSU-Haushaltskollege Bartholomäus Kalb zugestand, "dass eine Investitionsquote von 8,7 Prozent" - gerechnet auf den gesamten Bundeshaushalt - "noch nicht das ist, was wir erreichen wollen und müssen". Diese weiter zu steigern und zu verstetigen, sei das Ziel der kommenden Jahre.
Deutlich nüchterner als die lebhafte Debatte liest sich deren Grundlage: Zweitgrößter Ausgabenposten nach den Investitionen sind mit 7,82 Milliarden Euro Zuweisungen und Zuschüsse, unter anderem an Länder und Kommunen. 2,05 Milliarden Euro stehen im kommenden Jahr als so genannte sächliche Verwaltungsausgaben zur Verfügung, und 1,34 Milliarden Euro für Personal. Neue Verpflichtungsermächtigungen schlagen mit 12,23 Milliarden Euro zu Buche.
Neben dem Straßenbau, für den zwar 225 Millionen Euro mehr ausgegeben werden als im Etatentwurf vorgesehen, aber kaum mehr als im laufenden Jahr, fließt zusätzliches Geld unter anderem in den Aus- und Neubau der Bundeswasserstraßen (plus 50 Millionen Euro) und den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes (plus 300 Millionen Euro) - speziell die Hinterlandanbindung der großen Seehäfen (plus 25 Millionen Euro). Für die Schienenlärmsanierung sollen 100 Millionen Euro mehr ausgegeben werden und für den kombinierten Verkehr auf Straße und Schiene 110 Millionen Euro. 4,97 Milliarden Euro stehen dem auf der Einnahmenseite gegenüber (2007: 4,9 Milliarden Euro). Mit 3,45 Milliarden Euro stammt der größte Teil davon aus der Lkw-Maut. Wieder ein Grund weniger, sich aufzuregen, wenn man mal wieder wegen zu vieler Lkw im Stau steht: Dann klingeln wenigstens die Kassen.