Muslime in den Medien
Zerrbilder und Klischees bestimmen die Berichterstattung
Bedo ist aufgeregt. Gleich hat er einen Superstar in seiner Sendung. "Stell Dir vor, der große Yapo kommt." Wer? "Yapo ist Regisseur und hat gerade in Hollywood einen Film mit Sandra Bullock gedreht." Der Mann heißt eigentlich Mennan Yapicioglu, nennt sich aber einfach Yapo. Yapo wurde als Kind türkischer Eltern 1966 in München geboren und kann selbstverständlich auch bayerisch sprechen.
Er ist nun ganz oben in der Filmwelt. Und teilt dennoch das gleiche Schicksal wie Bedo: Beide sind in Deutschland wenig bekannt. Dabei ist Bülent Kayaturan, so sein bürgerlicher Name, jede Woche auf Sendung. Bei "Hamburg 1", einem privaten Fernsehsender, hat er mehr als 400 Fernsehsendungen gemacht. Bedos Show "Oriental Night" wird in Hamburg und Berlin ausgestrahlt, jeweils samstags um 23 Uhr.
"Meine Gäste sollen sich wie zuhause fühlen" sagt der 27-jährige Entertainer mit den langen Koteletten, dem man immer noch den lustigen Klassenclown früherer Jahre anmerkt. Das karge Studio motzt er mit einem roten Sofa, bunten Kissen, einem dampfenden Samowar und einer Wasserpfeife zu einem orientalischen Wohnzimmer auf. Während der Sendung eingespielte Musikclips sorgen für eine lebensfrohe Note. Zu ihm, der nebenbei kürzlich sein Soziologiestudium abgeschlossen hat, kommen Schriftsteller und Hodschas, Politiker und Schauspieler zu einer Plauderstunde mit Tee auf das Sofa.
Doch wie kam "der Türke" ins Fernsehen? Wie im Märchen. Eines Tages wollte Bedo sich bei seinem Barbier mal wieder den Bart rasieren lassen. Da kam er mit dem Mann ins Gespräch, der sich neben ihm gerade die Haare schneiden ließ. Er war Lokalchef von "Hamburg 1". Zwei Monate später lief die erste Sendung von "Oriental Night". Bedo: "Schneller ging's nicht."
Wenn es so einfach ist, warum gibt es dann nicht mehr Muslime in den Medien? Der deutsch-türkische Entertainer sieht Ursachen auf beiden Seiten: Einerseits würden die Medien Muslimen und anderen "Ausländern" wenig Chancen einräumen. Andererseits seien seine Landsleute nicht selbstbewusst genug: "Ich kenne viele talentierte junge Türken, die in Deutschland aufgewachsen sind und ihre Chance bei Sendern in der Türkei suchen."
Zwar gibt es darüber keine Zahlen, doch wenn der Eindruck nicht täuscht, ist es kein Zufall, dass die "Oriental Night" im kommerziellen Fernsehen läuft. Dort scheinen Seiteneinsteiger eine größere Chance zu haben. Obwohl Muslime in Deutschland an die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) Millionen Euro Rundfunkgebühren zahlen, werden sie bislang kaum in die Studios des öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehens in Deutschland gelassen. Zwar wird über sie berichtet, allerdings, das bestätigen alle Untersuchungen, anders, als den meisten muslimischen Gebührenzahlern lieb ist.
Der Erfurter Medienwissenschaftler Kai Hafez nahm mit seinem Team von Mitte 2005 bis Ende 2006 die Islamberichterstattung in ARD und ZDF in Talk- und Magazinsendungen unter die Lupe und kam zu einem vernichtenden Ergebnis: "In vier von fünf Fällen greifen die Redakteure das Thema Islam erst auf, wenn es um Gewalt und Konflikte geht."
"Solche Verengungen fügen dem Zusammenleben großen Schaden zu", sagt Seref Erkayhan, stellvertretender Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Nicht nur, dass bei den Programmschaffenden muslimische Mitarbeiter deutlich unterrepräsentiert seien, "besonders dramatisch" stelle sich die Situation in den Führungsetagen dar, "wo kaum ein Mitarbeiter nichtdeutscher Herkunft zu finden ist". Eine muslimische Repräsentanz in den Rundfunkräten sei auf Dauer unerlässlich.
In einigen Rundfunkanstalten allerdings tut sich etwas. WDR und SWR haben eigene Migrationsbeauftragte, deren Arbeit Früchte trägt. So versucht der WDR, der zusammen mit Radio Bremen die Multi-Kulti-Welle "Funkhaus Europa" betreibt, verstärkt Menschen mit "Migrantenhintergrund" ins Programm zu nehmen. Birand Bingül etwa ist Moderator bei COSMO TV und Mitglied im Kommentatorenteam der Tagesthemen.Er gehört zur neuen Generation von Deutsch-Türken, die in ihrer eigenen Biografie mehr sehen als eine Sammlung von Integrationsproblemen. Bingül, Jahrgang 1974, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "PingPong": "Ich wollte zeigen, dass es nicht nur Probleme gibt, sondern dass viele Leute aus der dritten Generation hier längst ihr Ding machen und ihre Herkunft nicht mehr von Deutschen hinterfragt wird."
Viele Monate musste sich der SWR öffentlich "als Moscheensender" beschimpfen lassen, nur weil er es seit April 2007 wagt, einmal im Monat im Internet 210 Sekunden lang eine Sendung mit dem Titel "Islamisches Wort" auszustrahlen, übrigens ausdrücklich keine "Verkündigungssendung". Der erste Autor war Aiman A. Mazyek, der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland (Interview auf Seite 5). Mazyek, ein FDP-Mann, sprach über die Barmherzigkeit Gottes und bezog sich auf die damals aktuelle Debatte um die Freilassung ehemaliger RAF-Mitglieder. Er, 1969 in Aachen als Sohn eines syrischen Ingenieurs und einer deutschen Journalistin geboren, gehört der Vierergruppe an, die beim SWR über die Ausgestaltung des "Islamischen Worts" entscheidet. Er nennt den bisherigen Auftritt "einen vollen Erfolg".
Hilal Sezgin hat im "Islamischen Wort" zum Thema "Tierethik und der Koran" gesprochen. Die Schriftstellerin, Philosophin und Journalistin, Tochter eines türkischen Islamwissenschaftlers, die bei Habermas studiert hat, ist keine Frau des organisierten Islam, wohl aber jemand, die ihren persönlichen Zugang zur Religion immer wieder auslotet. Sie sieht kritisch, was ihre Medien-Kollegen so treiben. "Manche rührseligen Erklärstücke über den Islam in den öffentlich-rechtlichen Sendern haben kaum Volkshochschulniveau", moniert die 37-Jährige. Dabei gebe es doch mittlerweile überall kundige Experten, die man - wenn sie teilweise auch in anderen Redaktionen sitzen - doch leicht befragen könne. Mindestens ebenso gravierend erscheine ihr die Abwesenheit von Muslimen in den Printmedien. "Warum lädt eine Redaktion nicht einmal einen Muslimen zur Blattkritik ein? Die holen sich doch sonst auch immer alle möglichen Leute von außen."