Zinsverbot im Koran
»Islamic Banking« steckt in Deutschland noch in den Anfängen
Orhan Gülbasch kommt gerade vom Freitagsgebet. Jetzt sitzt er im Restaurant einer Moschee in Hamburg und rührt nachdenklich in seinem Teeglas. Zinsverbot? "Ich muss immer darauf achten, dass keine Zinsen in meinen Nettolohn reingehen und muss vermeiden, dass mein Konto ins Minus rutscht", sagt er. Soviel Koranfrömmigkeit dürfte seinen Imam freuen. Vorbeter Ramazan Ucar von der Zentrumsmoschee ist sich sicher: "Islamisch gesehen ist das Geben und Nehmen von Zinsen nicht in Ordnung." Man werde bereits dann sündig, wenn man nur Zinsen vom Sparbuch einstreiche.
Der Koran kennt nämlich, wie einst Christen und Juden, ein "Zinsverbot". In der zweiten Sure heißt es, derjenige komme in die Hölle, der da Zinsen nehme. "Es gibt nichts", betont der Hamburger Islamwissenschaftler Ali Özdil, "was der Islam mit solcher Härte angegriffen hat wie das Zinssystem". Das hat Folgen. Ahmet Yazici beispielsweise, der in Hamburg zwei große türkische Supermärkte leitet, geht auf Nummer sicher. "Ich habe meine Banken angewiesen, dass wir nur im Plusbereich arbeiten."
Doch was passiert beim Kauf von Autos und Immobilien? Der Trick sei einfach, sagt Yazici: "Ich lasse den Wagen von der Bank kaufen und die verkauft ihn mir weiter." Dann würden Raten anfallen, nicht aber Zinsen. Ähnlich könne man beim Hauskauf verfahren. Andere Optionen seien allerdings ausgeschlossen: So dürfe man sich als gläubiger Muslim etwa "keinen Bankkredit holen, um in den Urlaub zu fahren".
Anders als in den arabischen Ländern oder aber auch in England, wo jede größere Bank islamische Eigenheimfinanzierungen im Programm hat und es sogar islamische Verbraucherbanken gibt, steckt "Islamic Banking" in Deutschland noch in den Anfängen. Zwar verfügt die Deutsche Bank über schariakonforme Anlagefonds doch werden sie vor allem in der arabischen Welt angeboten. In Deutschland streiten sich die Experten, ob sich "Islamic Banking" überhaupt lohnt. Die Banken sagen, der Markt sei nicht vorhanden, Muslime beklagen, ihnen würde nichts angeboten. Geschäfte ohne Zinsen sieht unser Wirtschaftssystem kaum vor. Sie sind in der Regel teurer. Kauft die Bank erst selbst das Haus, um es dann an Kunden weiter zu veräußern, fällt eine doppelte Grunderwerbssteuer an.
Allerdings, so der Frankfurter Rechtsanwalt und Islamwissenschaftler Kilian Bälz, sei die Frage des Zinsverbots im Koran keineswegs eindeutig. Zwar sei der "Riba" unter Strafe gestellt aber das sei eben nur der "Wucherzins". Es gibt sogar in Deutschland Imame, die den Standpunkt vertreten, in einem Land, indem die Kreditwirtschaft eine große Rolle spielt, verlange Allah von seinen Gläubigen kein Leben ohne Zinsen. Die Diskussion über das Zinsverbot hat in Deutschland noch nicht richtig begonnen.
Geldanlage oder nicht? Für Orhan Gülbasch stellt sich die Frage derzeit nicht. Vor einigen Jahren hat er, wie Tausende anderer Migranten, viel Geld an eine türkische Holding verloren. 25.000 Euro. Sie bot "schariakonforme Anlagen" mit höchsten Gewinnen. Er hat davon nie wieder etwas gesehen.
Der Autor ist freier Journalist in Hamburg.