WIRTSCHAFTSPRÜFER
Mehrere Bilanzskandale haben das Renommee des Berufsstandes erschüttert. Prüfer und Geprüfte sind häufig eng miteinander verflochten.
Wenn große Unternehmen durch den Verdacht auf Bilanzmanipulationen ins Gerede kommen, fällt oft auch ein Schatten auf diejenigen, die ihnen eine saubere Weste bescheinigt haben. Dass eine komplette Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dabei zu Fall kommt wie Arthur Andersen durch den Enron-Bilanzskandal, ist zwar die Ausnahme. Aber auch hierzulande haben spektakuläre Pleiten wie die der Berliner Bankgesellschaft oder illegale Provisionszahlungen bei Siemens die großen, international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Erklärungsnöte gebracht. Hätten sie genauer hinsehen, die Vorstände hartnäckiger befragen, die Testierung der Geschäftsabschlüsse verweigern müssen?
Diesen Fragen muss sich derzeit ein von der renommierten Gesellschaft Ernst&Young beauftragter Prüfer vor dem Landgericht Chemnitz stellen. Er hatte in den 1990er-Jahren der Zwickauer Sachsenring AG regelmäßig saubere Geschäftsabschlüsse bescheinigt. Die einstige Trabi-Schmiede war zunächst zum sächsischen Vorzeige-Unternehmen avanciert, 1998 an die Börse gegangen und im Mai 2002 pleite. 500 Gläubiger stehen bei Insolvenzverwalter Christoph Junker Schlange. 5 Millionen Euro Schadensersatz will er gegen Ernst&Young einklagen. Dass man sich nicht längst außergerichtlich einigen konnte und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auch den Strafprozess ausfechten will, erscheint ihm "geschäftspolitisch unklug". Doch der beschuldigte Wirtschaftsprüfer weist jede Schuld von sich. Er habe nicht erkennen können, dass ihm der Sachsenring-Vorstand gefälschte Rechnungen untergeschoben hat. Die sollen aber nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft letztlich zu einer völlig verzerrten Darstellung der Geschäftsjahre 1998 und 1999 mit satten Dividendenausschüttungen geführt haben, obwohl die Sachsenring AG damals tatsächlich Millionenverluste erlitten hatte. "Wirtschaftsprüfer sind keine Kriminalisten", meint dazu der Beschuldigte. Eine als Gutachterin bestellte Wirtschaftsprüferin interpretierte die geforderte berufsübliche kritische Grundhaltung des Prüfers gegenüber der Geschäftsleitung allerdings deutlich anders: "Wenn eine Rechnung über 16,6 Millionen Mark ganz anders aussieht als andere, muss man eingehender nachfragen."
Wie viel Skepsis gegenüber der Firma angebracht ist, die den Wirtschaftsprüfer für seine Arbeit bezahlt, vermag auch die Wirtschaftsprüferkammer nicht eindeutig zu sagen. "Die Jahresabschlussprüfung ist nicht darauf ausgerichtet, Unterschlagungen aufzudecken, sondern festzustellen, dass die Rechnungslegung den gesetzlichen Vorgaben entspricht", erläutert ihr Sprecher David Thorn. Erst im konkreten Verdachtsfall könne der Wirtschaftsprüfer intensiver forschen. Aber weshalb sollte er Verdacht schöpfen, wenn er seit Jahren mit den Usancen der zu prüfenden Firma vertraut ist, vielleicht sogar als ihr Berater fungiert? Denn das ist gängige Praxis, die von der Wirtschaftsprüferkammer damit gerechtfertigt wird, dass es so leichter fällt, "etwaige Schwachstellen und Risikoquellen im Unternehmen zu erkennen; damit steigt auch die Qualität der Abschlussprüfung". Die Gefahr der Parteilichkeit bei der Verknüpfung von Prüf- und Beratungsmandat sei zwar nicht auszuschließen, meint der Kölner Wirtschaftsprofessor Christoph Kuhner. Wichtiger seien aber dennoch die Synergien, die sich aus der umfangreichen Kenntnis des zu prüfenden Unternehmens ergäben. "Wenn bei der Prüfung etwas falsch läuft, dann wegen Inkompetenz des Prüfers oder seines fehlenden Mutes, die Dinge auf den Punkt zu bringen", betont auch der Wirtschaftsprüfer Claus-Peter Weber, einst Allein-Geschäftsführer der deutschen Niederlassung von Arthur Andersen.
Um eine allzu starke Verbandelung des Wirtschaftsprüfers mit einem zu prüfenden Unternehmen zu vermeiden, schreibt das Handelsgesetzbuch seit 1998 eine Ablösung des Abschlussprüfers nach sieben aufeinanderfolgenden Prüfaufträgen vor. Dann übernimmt ein Kollege der selben Prüfungsgesellschaft das Mandat. Einen Wechsel der Prüfungsfirma halten Betriebswirte wegen des Aufwandes, mit dem sich neue Prüfer erst Kenntnisse über das Unternehmen erarbeiten müssen, für wenig sinnvoll. In der Praxis kommt er so gut wie gar nicht vor. Und auch die interne Rotation erfreut sich nicht gerade großer Beliebtheit. Eine empirische Untersuchung des Direktors des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes, Karlheinz Küting, zeigt, dass im Zeitraum von 2000 bis 2005 durchschnittlich in mehr als 90 Prozent der DAX-Unternehmen mindestens einer der beiden Abschlussprüfer gleich geblieben ist.
Ein Versuch, die Kontrolleure zu kontrollieren, ist seit Sommer 2005 die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, ein eingetragener Verein, der den 1.400 börsennotierten Unternehmen stichprobenartig zwischen den Jahresabschlüssen in die Bücher sieht. Im vergangenen Jahr hat sie der Wirtschaftsprüferkammer 21 Beanstandungen von Geschäftsbilanzen gemeldet. Welche Folgen das für die Unterzeichner der Jahresabschlussprüfungen hat, entscheidet die Berufsaufsicht der Wirtschaftsprüferkammer. Dort ist man mit der Arbeit des Berufsstandes äußerst zufrieden. Bei 15.604 geprüften Unternehmensbilanzen im vergangenen Jahr wurden 140 Einschränkungen der Bestätigungsvermerke ausgesprochen. In drei Fällen wurde das Testat verweigert.