ALIEN-SUCHE
Forscher horchen im All nach Signalen außerirdischer Intelligenz. Bisher blieb es still am anderen Ende.
Seth Shostak ist Spezialist für Außerirdische. Seine Aufgabe: vorhersehen, welche Art von Signalen sie uns senden könnten, wie oft und unter welchen Umständen. Shostak ist Chefastronom des kalifornischen SETI-Instituts, was für "Search for Extraterrestrial Intelligence" steht. "Das ist ein bisschen so, als wenn ein Neandertaler probierte, sich das Leben im Jahr 2007 auszumalen", sagt der Wissenschaftler gut gelaunt. Computer, Autos, Demokratie - unvorhersehbar für unsere Vorfahren. Aber deshalb glauben, die ET-Suche mache keinen Sinn? "Dann würden Sie aufgeben", sagt Shostak, "und wenn Sie aufgeben, werden Sie nichts finden." Tatsächlich wettet er mit jedem, dass uns in den nächsten zwanzig Jahren ein Signal erreicht, das beweist: Wir sind im Universum nicht allein.
Shostaks Wetteinsatz von einer Tasse Kaffee zeugt zwar von eher vorsichtigem Optimismus, aber tatsächlich hofft der Wissenschaftler, dass das gerade eingeweihte "Allen Telescope Array" (ATA), rund 500 Kilometer nordöstlich von San Francisco, einen Durchbruch bringen wird. Dort sind in einem ausgedorrten Tal 42 von geplanten 350 Antennen installiert. Es ist die erste große Radioteleskopanlage der Welt, die rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, nach extraterrestrischer Intelligenz sucht. "Das ATA wird unsere Arbeit sehr beschleunigen", ist sich Shostak sicher.
Seit der Gründung des SETI-Instituts 1984 horchen die Forscher mit riesigen Antennen das All ab. Doch der Zugang zu den Anlagen ist umkämpft. Mehr als 200 Wissenschaftler aus aller Welt hoffen etwa jährlich darauf, das puertoricanische Arecibo-Teleskop zu nutzen. 305 Meter durchmisst dieser größte existierende Parabolspiegel, der auch "Ohr von Arecibo" heißt. Das SETI-Team konnte gerade Mal ein paar Minuten ergattern, um das Universum zu belauschen. Und gut ein Viertel dieser Zeit ging allein für die Einrichtung des Teleskops verloren. "Das ist so, als wollten Sie ein Topstar im Tennis werden und müssten sich immer den Schläger Ihres Nachbarn leihen", sagt Shostak. Mit dem ATA soll das nun anders werden.
Die Frage, ob es "da draußen" noch etwas gibt, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Doch dank neuer Technologien "sind wir die erste Generation, die diese faszinierende Frage möglicherweise beantworten kann", erklärt Shostak. Mehr als neunzig Physiker, Astronomen, Ingenieure, Biologen und Programmierexperten arbeiten im SETI-Institut. Ein unauffälliger Bau in einem Büropark im Silicon Valley. Im Kuratorium sitzen ein Nobelpreisträger für Physik und einer für Medizin. Fünf Jahre lang, bis 1993, hat die NASA das Institut mitfinanziert.
Die meisten der Wissenschaftler betreiben Grundlagenforschung im jungen Feld der Astrobiologie, in dem die Vorläufer menschlichen Lebens erforscht werden. "Ein Schlüsselelement der SETI", sagt der emeritierte Astrophysikprofessor Frank Drake. Neben Shostak ist er einer der fünf Wissenschaftler, die sich am Institut der eigentlichen SETI widmen. Direktorin Jill Tarter dirigiert die Entwicklung der nötigen Software und Hardware, Peter Backus managt die Ausführung der Observationen. Und die schwierige Aufgabe des Psychologen Doug Vakoch verrät sein illustrer Titel: Direktor für Interstellare Botschaftenkomposition.
Drake ist Direktor des Zentrums für das Studium des Lebens im Universum. Er begründete 1960 das Zeitalter der wissenschaftlichen ET-Suche. Kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag richtete er das Radioteleskop des "National Radio Astronomy Observatory" in West Virginia auf zwei nahegelegene Sterne. "Es war die erste Demonstration, dass unsere Instrumente sensibel genug waren, um Signale derselben Stärke zu entdecken, wie wir sie zu der Zeit sendeten", sagt Drake. Damals suchte er mehrere Wochen nach Signalen mit einem Ein-Kanal-Empfänger. Keine vierzig Jahre später erfasste das SETI-Projekt Phoenix simultan 58 Millionen Radiokanäle.
Dass es trotz der neuen Effizienz immer noch keine Nachricht von ET gibt, deuten Skeptiker als Hinweis, dass extraterrestrische Intelligenz nicht existiert. Drake hält dagegen: "Alles, was wir über die Geschichte unseres Sonnensystems, über die Erde und das Leben darauf wissen, sagt uns, dass die Prozesse, die zur Entstehung des Lebens geführt haben, vollkommen normal waren, vorangetrieben von der Evolution." Deshalb geht er davon aus, dass diese Entwicklung auf allen Planeten denkbar ist, die der Erde vergleichbar sind. Drake sagt: "Es gibt wahrscheinlich 100 Milliarden solcher Planeten allein in unserer Galaxie."
Er formulierte 1960 eine Gleichung, die ergab, dass wir Erdlinge mit zehn extraterrestrischen Zivilisationen aus unserer Galaxie in Berührung kommen könnten. Dass die Ergebnisse der Formel nicht überprüfbar sind, hat den Science-Fiction-Autor Michael Crichton zu der Schlussfolgerung geführt: "SETI ist ohne Frage eine Religion."
Tatsächlich ist die Drake-Gleichung eher eine hypothetische Annäherung an die Zahl außerirdischer Zivilisationen. Sie erfasst Einflussfaktoren angefangen von der Schätzung, wie viele Sterne jedes Jahr im Leben einer Galaxie neu entstehen über die Zahl der Planeten, die intelligentes Leben entwickeln werden bis zur Lebenserwartung einer Zivilisation. Viele der Variablen können nicht belegt werden - zumindest noch nicht. Die Anhänger der SETI-Forschung halten es mit Carl Sagan. In dem Film "Contact", der auf einem Science-Fiction-Roman des Wissenschaftlers basiert, fragt die von Jodie Foster gespielte Astronomin als Kind nach Leben im All. Darauf antwortet ihr Vater: "Wenn es nur uns gäbe, wäre das eine ziemliche Platzverschwendung" - was im Englischen gleichzeitig "Weltraumverschwendung" heißt.
Im Film ist auch das "Very Large Array" (VLA) in New Mexico zu sehen: Das Teleskop ist dem ATA ähnlich aufgebaut, aber der Himmelsausschnitt, den es untersuchen kann, ist 17 Mal größer und mit einer noch nie da gewesenen Frequenzabdeckung. Wie fast alle SETI-Experimente hat es besonders den Frequenzbereich um 1.420 Megahertz im Blick: Die "magische" Wellenlänge für die ET-Sucher. "Wasserstoff strahlt auf dieser Frequenz", erklärt Shostak. Die Wissenschaft geht davon aus, dass Wasser in flüssiger Form überall im Universum die Voraussetzung für die Entstehung von Leben ist. Deshalb ist Shostak überzeugt, dass jede außerirdische Intelligenz diesen Frequenzbereich nutzen wird, wenn sie eine Botschaft senden will. "Aber vielleicht haben sie auch eine ganz andere Frequenz im Sinn", räumt er ein. Nur - irgendwo muss man ja schließlich anfangen.
Das SETI-Team nutzt das ATA zusammen mit dem Radioastronomielabor der Universität Berkeley, das versucht, Phänomene wie Supernovas, Pulsare oder Schwarze Löcher zu ergründen. Berkeley betreibt außerdem das Projekt SETI at Home, mit dem jeder Computerbesitzer bei der Aliensuche mithelfen kann, indem er ein Datenpäckchen von der Uni-Website herunterlädt: Wenn der heimische Laptop in ungenutzten Minuten in den Bildschirmschoner-Modus schaltet, beginnt der Computer, die Informationen aus dem All auszuwerten - und vielleicht meldet sich zuhause plötzlich ET.
"Wenn wir ein Signal empfangen, ist das Hollywood-Szenario immer, dass sie uns ein bisschen Grundlagenmathematik geschickt haben und wir das schnell entschlüsseln werden", sagt Psychologe und "Botschaftenkompositeur" Doug Vakoch. Schön wär's, aber realistisch? Dass Menschen dagegen versuchen werden, Nachrichten zu senden, sobald es eine Botschaft gibt, hält er für gewiss. "Deshalb denken wir sehr ernsthaft nach, was wir sagen wollen, und wie wir diese Botschaft vermitteln könnten", sagt er.
Vakoch tauscht sich hierfür mit Archäologen und Anthropologen aus, den Spezialisten für Fremdes auf der Erde. Zusammen mit Mathematikern, Künstlern, Musikern und Theologen geht er Fragen nach, wie sich etwa unser Sinn für Ästhetik vermitteln lässt oder der für Moral. Dabei versucht Vakoch auch zu berücksichtigen, dass Alien-Mathematik nicht unbedingt irdischen Konzepten folgen muss.
Angefangen damit, dass extraterrestrische Wesen möglicherweise vier Arme und 32 Finger haben und deshalb vielleicht ein anderes Zahlensystem für natürlich halten. Oder dass sie sich auf andere Sinne verlassen: Es könnte das Empfinden von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beeinflussen, ob eine Spezies sich eher auf ihren Sehsinn oder auf den Geruchssinn verlässt. Die Kommunikation mit den Außerirdischen ist also, sollten sie sich einmal melden, alles andere als einfach. Nur ein Teil der Botschaft steht bereits fest: "Wir sollten die andere Zivilisation bitten, uns in ihrer Antwort wissen zu lassen, was wir ihnen gesendet haben." Denn bei Signalen, die vielleicht Millionen Jahre reisen, da kann schon mal was in Vergessenheit geraten.
Die Autorin ist Korrespondentin für "Weltreporter.net" in San Francisco.