MARS
Schon früh als Gottheit verehrt, ist der Nachbarplanet der Erde heute ein begehrtes Expeditionsziel. In Kürze wollen die führenden Weltraumorganisationen die ersten Menschen zum »Roten Planeten« schicken.
Schon in der Brockhaus-Enzyklopädie aus dem Jahr 1896 wurde er als erdähnlichster Planet beschrieben. Als Besonderheit wurden an den zwei Polen des Mars weiße als Schnee- oder Eisfelder gedeutete Flecken beschrieben, deren Form und Größe wechselten. Starke optische Hilfsmittel, die eine etwas genauere Untersuchung ermöglicht hätten, standen der Wissenschaft damals nicht zur Verfügung. Als kleine Sensation wurde die Entdeckung zweier kleiner Monde, Deinmos und Phobos, die sich um den Mars bewegten, gewertet. Sie wurden am 11. August des Jahres 1877 vom amerikanischen Astronomen Asaph Hall beobachtet. Im selben Jahr sorgten auch die Arbeiten des italienischen Astronomen Giovanni Virginio Schiaparelli über die Beschaffenheit der Marsoberfläche mit den so genannten Marskanälen für viel Aufmerksamkeit.
Asaph Hall hatte damals für seine Entdeckung einen so genannten Refraktor, ein Linsenfernrohr, benutzt, mit einer Öffnung von 66 Zentimeter - heute, mehr als hundert Jahre später in der Zeit der Weltraum- und Satellitentechnik, löst diese Art der planetaren Fernerkundung nur noch ein müdes Lächeln aus. Das Thema, das die Wissenschaftler heute bewegt, ist nicht die Erkundung durch Satelliten oder Roboter, sondern durch den Menschen selbst. Völlig neu ist diese Idee allerdings auch nicht. Schon im Jahr 1894 stellte sich der deutsche Physiker Oskar Emil Meyer die Frage, ob der Mars eigentlich bewohnbar ist. Um diese Frage heute, gut 100 Jahre später zu beantworten, laufen weltweit bei verschiedenen Raumfahrtagentur die Voruntersuchungen für eine mögliche bemannten Expedition zum Mars.
Eine in Kürze beginnende Studie im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der russischen Weltraumagentur Roskosmos, soll die Auswirkungen solch einer Reise auf die menschliche Physis und Psyche dokumentieren. Die Anforderungen dieser Mission sind hoch: Mindestens 520 Tage werden die Probanden in einer abgeschlossenen Raumschiff-Simulation verbringen. In der Studie soll herausgefunden werden, wie auftretende Probleme wie Krankheiten, Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb der Crew und technische Defekte bestmöglich zu lösen sind.
Das Raumschiffmodell selbst, das sich in der Nähe von Moskau befindet, besteht aus mehreren miteinander verbundenen Metallcontainern. Das Modell verfügt über einen Forschungs- und einen Wissenschaftsraum, einen medizinischen Bereich, einen Gemeinschaftsraum und eine Küche. Zudem gibt es einen speziellen Container, in dem eine Exkursion auf die Marsoberfläche simuliert werden kann. Die Forscher betreten damit wissenschaftliches Neuland - ein Expermiment dieser Dimension hat es bisher noch nicht gegeben. Während der Discovery-Mission STS-116 im Dezember 2006 wurde bereits eine Versuchsreihe, das "Anomalous Long Term Effects in Astronauts" (ALTEA)-Experiment, durchgeführt, um die Auswirkungen der kosmischen Strahlung auf den menschlichen Körper zu untersuchen.
Das ESA-Explorationsprogramm "Aurora" sieht neben der Erforschung des Roten Planeten mit Robotern - als ersten Schritt zur Vertiefung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und zur Bewältigung technologischer Herausforderungen - in einem weiteren Schritt eine mögliche bemannte Marsmission vor. Aufgrund der erfolgreichen europäischen Mission "Mars Express" hat nun die komplexe "Mars Sample Return-Mission" eine sehr hohe Priorität in der aktuellen ESA-Planung bekommen. Dieses Projekt sieht vor, dass eine Sonde mit Marsproben in mehreren Stufen wieder zurück zur Erde kehrt. Möglicher Realisierungszeitpunkt: 2020. Zudem ist im ESA-Programm die Marsmission "ExoMars" für das Jahr 2013 vorgesehen, um nach möglichem Leben auf diesem Planeten zu suchen. Aufgrund der hohen finanziellen Belastungen für die Realisierung einer bemannten Marsmission wird die ESA voraussichtlich auf einen internationalen Partner setzen.
Mit dem erfolgreichen Mars-Explorations-Duo "Spirit" und "Opportunity" haben die amerikanischen Wissenschaftler seit dem 4. Januar 2004 ebenfalls viele wertvolle Daten über den roten Planeten gesammelt, die für eine menschliche Mars-Mission äußerst wichtig sind. Am 14. Januar 2004 stellte US-Präsident George W. Bush die langfristige Planung des Nasa-Programms vor, das nun den Schwerpunkt auf bemannte Missionen zum Mond und Mars setzt. In seiner Rede verpflichtete Bush die Weltraumagentur Nasa, eine Rückkehr zum Mond bis spätestens 2020 zu ermöglichen. Diese Mission gilt als Wegbereiter für die weitere Reise zum Mars. Die aktuelle amerikanische Phoenix-Mission hat zwei wichtige Ziele zur Unterstützung der zukünftigen bemannten Marsmissionen: Zum einen soll die Entstehung des "Marseises" geklärt werden, zum anderen soll eine "bewohnbare Zone" auskundschaftet werden, die in Zukunft als Standort für die landenden Menschen dienen soll.
Ein neue Generation des Mars-Rovers, das so genannte "Mars Science Laboratory", soll 2009 starten. Von 2011 bis 2020 sollen weitere Roboter als Vorhut den Mars erkunden, um grundlegende Informationen über Strahlung, Staub und Landeplatz einzuholen, bevor dann ein Mensch den ersten Fuß in den Marsstaub setzt. Ferner soll ab 2024 nach den Plänen der Nasa eine permanent bemannte Mondstation entstehen, als Vorbereitung für die bemannte Marsmission, die im Jahr 2030 folgen soll.
Auch Russland möchte sich am Marsrennen beteiligen und hegt - wie die amerikanische Weltraumgesellschaft Nasa auch - Pläne für einen Ausflug zum Mars; nicht nur mit einem Roboter oder einer Sonde, sondern mit einem bemannten Raumschiff. Optimisten sprechen von einem Zeitfenster zwischen 2035-2040. Die Realisierung hänge im Wesentlichen vom Faktor Mensch ab, betont der Leiter der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, da es bis jetzt für solche Langzeitmissionen keinerlei Erfahrungswerte gebe. Das kleinere Problem stellt die Technik dar, die zum größten Teil schon verfügbar sein soll - die Russen haben mit ihrer Raumstation Mir und der Beteiligung an der Internationalen Raumstation ISS schon jede Menge Erfahrungen sammeln können. Schwerer wiegt der finanzielle Aspekt; Experten-Schätzungen zufolge soll eine bemannte Marsmission rund 14 Milliarden Dollar kosten.
Über Pläne anderer Länder, eine bemannte Marsmission zu starten, ist bisher nichts bekannt. Eine Ausnahme stellt Indien dar, das Interesse an einem Mars-Gemeinschaftsprojekt mit den Amerikanern bekundet hat.
Die bemannte Marsmission wird von vielen Faktoren abhängen: Wer auch immer einen Menschen zu dem von der Erde je nach Umlaufphase zwischen 45,5 und 401,3 Millionen Kilometer entfernten Planeten senden möchte, hat mit einer Vielzahl von Herausforderungen und Überraschungen zu kämpfen - menschlicher, technischer oder auch kosmischer Natur. Denn was uns Menschen dort wirklich erwartet, weiß niemand. Wir werden sehr wahrscheinlich noch 20 Jahre und länger auf die Lösung dieses Rätsels warten müssen.
Die Autorin arbeitet beim Online-Magazin Telepolis.