VerbrechensbekÄmpfung
Wie Menschenrechtsorganisationen Luftaufnahmen nutzen, um Massaker aufzudecken
Menschenrechtsverletzungen geschehen meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wer ganze Dörfer dem Erdboden gleichmachen lässt, Menschen vertreibt oder tötet, will dies in aller Regel unbeachtet tun. Auch das burmesische Militärregime mochte sich jüngst bei seinem brutalen Vorgehen gegen Dissidenten nicht auf die Finger schauen lassen - auf dem Höhepunkt der Unruhen ließ es sogar den Zugang zum Internet unterbrechen.
Doch lassen sich Menschenrechtsverletzungen heute kaum noch verbergen. Immer öfter kann die Welt sie nahezu live am Monitor verfolgen: per Satellitentechnik. Die künstlichen Raumflugkörper liefern gestochen scharfe Aufnahmen der Erdoberfläche und belegen, wie in den vergangenen Jahren etwa in Birma, Simbabwe oder dem Sudan Straßen und Häuser verschwunden sind. Menschenrechtsorganisationen hoffen, dass die Satellitenbilder einerseits die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Krisenherde lenken und andererseits eine rechtliche Handhabe beim Beweis von Menschenrechtsverletzungen bieten.
Amnesty International hat im Juni 2006 die Website "Eyes on Darfur" online gestellt. Dort können Internetnutzer Bilder aus der westsudanesischen Provinz Darfur abrufen. Seit vier Jahren tobt dort ein blutiger Bürgerkrieg zwischen schwarzafrikanischen Rebellen und von der Regierung gesteuerten Milizen, bei dem bisher etwa 400.000 Menschen getötet wurden. Hunderttausende sind auf der Flucht. Eyesondarfur.org zeigt Luftaufnahmen der bisherigen Zerstörungen, genaue Statistiken informieren über die Zahl der zerstörten Häuser, Augenzeugenberichte und Hintergrundinformationen komplettieren die Berichterstattung. Doch Amnesty will nicht nur Zeugnis darüber ablegen, was bereits passiert ist: Auf der Website befindet sich auch ein Bereich "Villages at Risk". Dabei werden 16 Dörfer beobachtet, die zwar noch intakt, aber nach Ansicht von Amnesty potenzielle Ziele neuer Angriffe sind. "Eyes on Darfur" ist nicht das einzige Projekt dieser Art. Zwei Monate vor dem Start der Amnesty-Kampagne startete der "Global Awareness Layer" der Suchmaschine Google. In Zusammenarbeit mit dem Holocaust-Museum in Washington hat Google für das Projekt "Crisis in Darfur" Satellitenbilder und Informationen zum Genozid im Sudan zusammengetragen, um den Menschen in aller Welt ein besseres Verständnis für die Situation im Krisengebiet zu ermöglichen. Dafür, dass Menschenrechtsorganisationen die teuren Satellitenbilder kommerzieller Anbieter nutzen können, hat sich insbesondere die American Association for the Advancement of Science (AAAS) eingesetzt. Der größte Wissenschaftsverband der Welt hat schon im Mai 2006 damit begonnen, Vertreibungen und Massaker quasi aus dem All aufzudecken. Gemeinsam mit Amnesty International und der Organisation "Simbabwes Rechtsanwälte für Menschenrechte" veröffentlichte die AAAS damals Bilder, die bewiesen, dass Diktator Robert Mugabe im Mai 2005 mit rabiaten Methoden gegen illegale Siedlungen in Simbabwe vorgegangen war. In den vergangenen Monaten haben sich die Aufklärer der AAAS auf das Regime in Birma konzentriert: Sie veröffentlichten Satellitenbilder, die bewiesen, dass in der Provinz Karen 18 Dörfer niedergebrannt wurden und Zwangsumsiedlungen stattfanden.
Die Bilder sollen den Strafverfolgern als Beweismittel zur Verfügung gestellt werden. Zudem könnte, hoffen die Initiatoren, die ständige Beobachtung die Machthaber unter Druck setzen und sie künftig von weiteren Menschenrechtsverletzungen abhalten. Damit würden die Beobachter aus dem All ihrem Namen alle Ehre machen: "Satellit" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "Leibwächter".