VERGABERECHT
Bei der anstehenden Novelle dringt Brüssel auf die Aufnahme von Umwelt- und Sozialstandards
Die öffentliche Hand kauft jedes Jahr für mehr als 250 Milliarden Euro ein. Rund 60 Prozent davon geben Städte und Gemeinden aus. Sie setzen jedes Jahr zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts um.
Wenn die Kommune einen neuen Platz gestalten will, dann ist sie bisher dazu verpflichtet, bei einer öffentlichen Ausschreibung die wirtschaftlichste Lösung zu nehmen. Pflastersteine aus Indien und China sind so günstig, weil es in den Steinbrüchen unzureichenden Arbeitsschutz, ausbeuterische Kinderarbeit und eine Bezahlung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns gibt. Immer mehr Menschen fühlen sich aber unwohl bei dem Gedanken, dass ein schön gestalteter öffentlicher Platz auf dem Rücken indischer Arbeiter entstanden ist.
Zahlreiche Produkte aus Afrika, Asien und Lateinamerika entstehen unter Bedingungen, die man hierzulande keinem zumuten möchte. Betroffen sind Textilien, Spielzeug, Teppiche, Lederprodukte, Billigprodukte aus Holz sowie Agrarprodukte wie Kaffee, Tee, Orangensaft, Schokolade oder Blumen.
Bei all diesen Produkten sind die Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO nicht garantiert, es sei denn die Produkte stammen aus fairem Handel.
Die Kernnormen der ILO sind weltweit anerkannt und regeln einen Mindeststandard für Arbeitnehmer. Dazu gehören gleiche Entlohnung für Männer und Frauen, keine Kinderarbeit oder das Recht, Gewerkschaften zu gründen. Diese Mindeststandards sollen verhindern, dass sich Unternehmer im internationalen Handel Vorteile verschaffen, indem sie Arbeitnehmerrechte abbauen.
Bei den Kommunen ist quer durch alle Parteien ein Umdenken im Gange. Bereits im Jahr 2002 stellte die Stadt München Vergabekriterien zur Vermeidung von Kinderarbeit beim öffentlichen Einkauf auf. Sechs Jahre später sind mehr als 70 Kommunen in ganz Deutschland diesem Beispiel gefolgt. Sie fordern nun ebenfalls von ihren Lieferanten die Garantie, dass eingekaufte Produkte nicht mittels ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden. Dies kann entweder durch ein Siegel wie "Transfair" geschehen oder durch eine nachprüfbare Selbstverpflichtung des Herstellers.
Noch weiter als München gehen Düsseldorf und Neuss. Sie haben beschlossen, nur noch Produkte einzukaufen, die die Kernnormen der ILO erfüllen. "Es fing 2003 an mit einem Agenda-Projekt bei der Städtischen Feuerwehr", erklärt Ladislav Ceki vom Düsseldorfer Eine Welt Forum. "Dort waren die Verträge mit den Lieferanten der Berufskleidung zufällig gerade ausgelaufen." Nach einem interfraktionellen Beschluss im Düsseldorfer Stadtrat mussten die neuen Ausstatter garantieren, dass sämtliche Textilien den ILO-Kernnormen entsprechen. Drei Jahre später stellte der Düsseldorfer Stadtrat die öffentliche Beschaffung komplett um. Jetzt kommt nur noch zum Zug, wer die Kriterien der ILO erfüllt. "Das funktioniert aber nur, weil Düsseldorfs Oberbeschaffer voll hinter dem Beschluss steht", sagt Ceki. Doch Düsseldorf und die anderen engagierten Kommunen bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone. Das deutsche Vergaberecht verpflichtet sie vor allem zu sparsamem und wirtschaftlichem Einkauf. Umwelt- und Sozialstandards gelten als so genannte vergabeferne Kriterien. Inwieweit Städte sie bei Ausschreibungen anwenden dürfen, ist unter Juristen umstritten.
Die EU hat ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, ihr Vergaberecht zu überarbeiten und soziale und ökologische Kriterien vorzuschreiben. Für Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) geht es bei der Novellierung des Vergaberechts aber vor allem um Bürokratieabbau und Wirtschaftlichkeit. "Durch die Vereinfachung und Modernisierung des Vergaberechts wollen wir das erhebliche dynamische Potenzial des Sektors für Wachstum und Beschäftigung nutzen", ließ Glos verlautbaren. "Es soll den Wettbewerb für die Einkäufe der öffentlichen Hand erhöhen. Zugleich soll dem Steuerzahler Geld gespart werden durch wirtschaftlichen Einkauf." Umwelt- und Entwicklungshilfeministerium haben signalisiert, dass sie soziale Kriterien durchaus im neuen Vergaberecht sehen wollen.