BANKMITARBEITER
Der Leistungsdruck hat enorm zugenommen. Mehr psychische Erkrankungen sind die Folge
Ob Geschenke oder der Sommerurlaub: Kunden, die sich darauf einlassen, Einkäufe hinterher abzuzahlen statt vorher darauf zu sparen, fahren schlechter. Den Verbraucherzentralen stößt die Bewerbung von Krediten schon länger übel auf. "Es wird suggeriert, dass Kredite keine schlimme Sache seien", sagt Frank-Christian Pauli, Bankenexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Man vermisse oftmals eine verantwortungsbewusste Haltung den Kunden gegenüber, das Hauptproblem sei eine zunehmende Intransparenz. "Der Kunde ist heute eher Objekt des Handelns, nicht Subjekt im Markt."
Der Arbeitsalltag in den Banken habe sich stark verändert, so Jörg Reinbrecht, Bankenexperte im Fachbereich Finanzdienstleistungen bei Verdi. "Als ich vor 30 Jahren selbst bei einer Bank angefangen habe, waren wir noch Kundenberater." Heute seien die Angestellten in erster Linie Verkäufer, ausschließlich an Vertriebszahlen orientiert. Es gibt ein vorgegebenes Tagessoll an Terminen, Telefonaten und Transaktionen, das es zu erfüllen gilt: "Es sind industrialisierte Arbeitsbedingungen", so Reinbrecht.
Als Verdi im Dezember 2006 das Thema "gesunde Arbeit" aufs Tapet brachte, stellte man überrascht fest, dass es das Hauptthema unter den Angestellten war, so Reinbrecht. Eine aktuelle Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse DAK zur Gesundheit der Bankmitarbeiter bestätigt diese Erkenntnis: Der Anteil mit psychischen Erkrankungen sei "dramatisch". Zwischen 1998 und 2006 hätten sich die Fehltage aus psychischen Gründen um 40 Prozent erhöht. Wer dem Leistungsdruck und den Vorgaben nicht standhält, gilt als "Schlechtleister" und muss in der Regel gehen.
So kommt es, dass Mitarbeiter ahnungslosen Kunden schon einmal eine Restschuldversicherung als notwendigen Zusatz vorstellen, obwohl sie eigentlich nur optional ist. Schuld ist erneut die Vorgabe der Führungsebene, eine bestimmte Anzahl bestimmter Produkte zu verkaufen.
Fälle wie dieser landen unter Umständen bei der Schiedsstelle der Ombudsmänner, die der Bundesverband deutscher Banken (BdB) 1992 eingerichtet hat. 37.000 Beschwerden gingen seither dort ein. Rund die Hälfte, so der BdB, sei "im Interesse des Kunden" gelöst worden. "Wir sind eine neutrale Stelle, die unabhängig entscheidet", sagt Werner Weiß. Der ehemalige Staatsanwalt und Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München ist seit 2001 Ombudsmann. Die Anliegen jedes einzelnen Bankkunden, findet er, müssten ernst genommen werden. Bei den nächsten Tarifverhandlungen, ist sich Jörg Reinbrecht sicher, legen die Banken wieder ihren Lieblingsvorschlag auf den Tisch. Statt Monatslöhnen hätten sie am liebsten das Gehaltsmodell "Versicherungsvertreter": Gezahlt wird auf Provisionsbasis, Verkaufen wird dann noch wichtiger als bisher. Doch seit der Krise der US-Banken scheinen die Banken zu merken, dass Dienst am Kunden im Sinne des Qualitätsmanagements letztlich Dienst am eigenen Geschäft ist. "Die Finanzdienstleister erkennen zunehmend, dass Verbraucherschutz nicht nur lästiger Luxus ist", so Verbraucherschützer Pauli. "Am Ende ist es vor allem gut für das Überleben der Bank selbst."
Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.