ÖKO-ANLAGEN
Das Geschäft mit »grünem« Geld boomt. Doch Vorsicht: Es gibt auch Etikettenschwindel
Mit "gutem Gewissen" lässt sich, zumindest aus Sicht der Banken, gutes Geld verdienen. Spätestens seit der drohende Klimawandel aus der öffentlichen Debatte nicht mehr wegzudenken ist, boomt das Geschäft mit "grünem" Geld. Nahezu täglich kommen neue Öko-Fonds und -Zertifikate auf den Markt. Nach Angaben des Sustainable Business Instituts (SBI) an der European Business School Oestrich-Winkel gibt es aktuell gut 150 Ökofonds im deutschsprachigen Raum. Allein in den ersten sechs Monaten 2007 legten die Einlagen in Ökofonds um 50 Prozent auf 27 Milliarden Euro zu. Fast noch dynamischer hat sich die junge Zertifikate-Industrie auf das Thema gestürzt. Nach einer Erhebung der Baader Wertpapierhandelsbank sind zum Thema Energie/Umwelt 70 Zertifikate am Markt, zum Thema Umwelt/Soziales sollen es 28 sein.
Somit lässt sich inzwischen in fast allen Bereiche der nachhaltigen Investments Geld anlegen - von breit gestreuten Klimawandel-Zertifikaten, die Firmen mit umweltschonenden Technologien enthalten, über spezielle Wasser- oder Solarzertifikate bis hin zu Produkten, die auf ressourcenschonende Firmen in Asien setzen. Doch Anleger sollten aufpassen. Nicht überall, wo Öko drauf steht, ist Gutes drin. Eine Überprüfung, in welche Werte ein Zertifikat investiert, welche Performance es erzielt hat und welche Konkurrenzprodukte es gibt, ist unerlässlich. Nicht immer sind die Produkte gut strukturiert. Ein Beispiel für ein nicht ausgewogenes Produkt ist der von der Deutschen Börse berechnete Öko-Dax, in den via Index-Zertifikate investiert werden kann. Der im Juni 2007 aufgelegte Index suggeriert, hier seien viele Werte aus verschiedenen Branchen vereint. Das Gegenteil ist der Fall. Das Börsenbarometer bildet zwar die Wertentwicklung der zehn liquidesten deutschen Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien ab. Allerdings kommen fünf davon aus der Solarindustrie. Weitere Branchen sind lediglich Wind, Biogas und Biosprit. Zudem sind anfänglich alle Werte gleich gewichtet. Die tatsächliche Größe der Firmen wird also gar nicht berücksichtigt. Der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Jürgen Kurz, hat den Begriff Öko-Dax als Etikettenschwindel kritisiert.
Andere Beispiele für schlecht konzipierte Zertifikate gibt es zuhauf. So hat Julius Bär zusammen mit der auf nachhaltige Investments spezialisierten SAM Group aus der Schweiz ein Klimawandelzertifikat auf den Markt gebracht, das eine Laufzeit von nur zwei Jahren hat. Gerade bei solchen Langfristthemen ist das Unfug. Auch die Zusammensetzung dürfte manchem Anleger Bauchschmerzen bereiten. So ist darin die Toyota-Aktie zu finden. Zwar verweist Julius Bär zu Recht darauf, dass Toyota beim klimafreundlichen Hybridantrieb eine Vorreiter-Rolle spielt. Dass der Kohlendioxidausstoß der Toyota-Flotte aber größer ist als der vieler anderer Autokonzerne, ist dagegen nicht von Belang. Und ob die Aktie des größten Autobauers der Welt in ein Klimawandelzertifikat gehört, muss jeder Anleger für sich selbst entscheiden. Problematisch kann es auch werden, wenn versucht wird, spezielle Randthemen investierbar zu machen. So basiert ein Zertifikat der österreichischen Raiffeisen Centrobank auf sechs Firmen, die Solarsilizium für die Sonnenindustrie herstellen. Das Problem: Da es weltweit an der Börse keinen einzigen reinen Solarsilizium-Hersteller gibt, sind in dem Produkt nur Firmen enthalten, die nur wenige Prozent ihres Umsatzes mit dem Verkauf von Solarsilizium erwirtschaften. Anleger sollten sich bewusst machen, dass Branchen wie die Solar-, Wind- oder Biospritindustrie am Tropf staatlicher Förderungen hängen. Von voll funktionierenden Märkten kann also nicht die Rede sein. Entsprechend hoch ist das Risiko, weil die oft jungen Unternehmen noch nicht bewiesen haben, dass sich ihr Geschäftsmodell nachhaltig trägt. Anleger sollten deshalb immer darauf achten, dass die Zusammensetzung des Zertifikats regelmäßig nach bestimmten Kriterien überprüft wird. Ohne Anpassung könnten Bewegungen im Markt mit neuen, großen Unternehmen verschlafen werden. Tatsache ist auch: Mit nachhaltigen oder ethisch korrekten Geldanlagen lassen sich im Schnitt gute Renditen erwirtschaften. Nach einer Untersuchung von Unicredit und Oekom Research haben Unternehmen mit den besten ökologischen und sozialen Leistungen zwischen 2001 und 2006 eine Performance von 35,8 Prozent gemacht. Zum Vergleich: Der weltweite MSCI World kam im gleichen Zeitraum auf 24 Prozent. Dies überrascht nicht: Firmen, die nachhaltig wirtschaften und Ressourcen sparsam einsetzen, sparen in der Regel auch Geld, was sich im Gewinn und im Aktienkurs niederschlägt.
2002 wurde das Carbon Disclosure Project (CDP) gegründet, das von den 2.400 größten Firmen weltweit Maßnahmen zum Klimaschutz fordert. Immer mehr große institutionelle Investoren achten darauf, welche Firmen dabei mitmachen und wie sie abschneiden. Gleichzeitig soll der Markt für grüne Technologien nach Berechnungen der Berenberg Bank und des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts bis 2030 um durchschnittlich acht Prozent pro Jahr wachsen. Die Unternehmensberater von Roland Berger halten es gar für möglich, dass die Umweltbranche in Deutschland bereits 2020 Leitindustrien wie die Automobilbranche oder den Maschinenbau bei Umsatz und Mitarbeiterzahl überflügeln wird. Insofern sollten sich auch künftig mit "gutem Gewissen" gute Renditen erwirtschaften lassen.