DIE BAFIN
Wie aus drei Bundesämtern die zweitmächtigste Aufsichtsbehörde der Welt wurde. Ein Blick in die Geschichte der Überwachung des Banken- und Versicherungssektors in Deutschland
Eigentlich steht auch der ehemalige IG Metall-Chef Franz Steinkühler für die Neugestaltung der Finanzmarktaufsicht in Deutschland und für die Anfänge der heutigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Im Mai 1993 flogen dubiose Aktiengeschäfte Steinkühlers mit Papieren der damaligen Mercedes-Automobil-Holding AG (MAH) auf. Innerhalb von 15 Tagen hatte er für eine Million Mark MAH-Aktien gekauft. Kurz darauf schoss der Kurs in die Höhe, weil die Papiere gegen Daimler-Aktien getauscht werden sollten. Steinkühler hatte von dieser Absicht als Mitglied im Aufsichtsrat von Daimler-Benz möglicherweise gewusst und deshalb gekauft. Er konnte den Verdacht des Insiderhandels nicht zurückweisen, spendete seinen Gewinn von rund 160.000 Mark und trat als IG Metall-Vorsitzender zurück.
Insidergeschäfte an der Börse galten damals als Kavaliersdelikt. Steinkühlers Fehltritt war der letzte Anstoß, diesen Makel zu tilgen. Mit dem zweiten Finanzmarktförderungsgesetz wurden im Sommer 1994 die Wertpapieraufsicht und das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) etabliert. Es widmete sich seit Anfang 1995 auch der Aufdeckung von Insidervergehen. Wer heute nicht veröffentliche Informationen für Aktiengeschäfte nutzt, kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder mit einem Bußgeld von bis zu einer Million Euro belegt werden. Zuständig für die Strafverfolgung sind allerdings die Staatsanwaltschaften, an die die BaFin ihre Erkenntnisse übergibt. Unter die Wertpapieraufsicht fällt auch die Kontrolle von so genannten Ad-hoc-Mitteilungen der Unternehmen. Wichtige potenziell kursbeeinflussende Ereignisse müssen auf diesem Weg veröffentlicht werden. Auch die Überwachung von Unternehmensübernahmen gehört zu den Aufgaben der Wertpapieraufsicht.
Seit 1. Mai 2002 ist das BAWe Geschichte. Seine Aufgaben wurden in die BaFin integriert. Vorläufer der neu geschaffenen Behörde war auch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Bereits 1901 nahm das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung in Berlin seine Arbeit auf. Daraus wurde 1918 das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung. Nach dem Zweiten Weltkrieges nahm 1952 das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (BAV) in Berlin seine Arbeit auf. Im Gegenzug zur Verlagerung der Hauptstadt von Bonn nach Berlin wurde das BAV Ende Oktober 2000 von der Spree an den Rhein verlegt, wo es als Teil der BaFin noch heute seinen Sitz hat. Dritter Baustein und wichtigster Grundpfeiler der Finanzaufsicht ist das frühere Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred). Dessen Ursprünge liegen in der Bankenkrise von 1931. Damals konnten die Dresdner Bank und die Darmstädter und Nationalbank nur durch eine Geldspritze der Reichsregierung in Höhe von 1,3 Milliarden Reichsmark gerettet werden. Zunächst wurde eine beobachtende Bankenaufsicht etabliert, 1934 schließlich das bei der Reichsbank angesiedelte Aufsichtsamt für das Kreditwesen. Nach 1945 oblag die Bankenaufsicht anfangs den Bundesländern. Endgültig zentralisiert wurde die Bankenaufsicht 1962 mit dem BAKred in Berlin.
Heute wacht die 2002 geschaffene BaFin mit ihren rund knapp 1.700 Mitarbeitern am Hauptsitz in Bonn und dem Ableger in Frankfurt über rund 2.100 Banken, 700 Finanzdienstleister, 630 Versicherungen, 25 Pensionsfonds sowie 6.000 Fonds und 80 Kapitalanlagegesellschaften. Mit ihren weit reichenden Befugnissen gilt die BaFin hinter der amerikanischen SEC mittlerweile als mächtigste Finanzaufsichtsbehörde weltweit. Die eigentliche Bankenaufsicht teilt sich die BaFin mit der Bundesbank, die für die laufende Aufsicht verantwortlich ist und in direktem engen Kontakt mit Banken und Sparkassen steht. Dass das System funktioniert, belegt die Tatsache, dass es seit dem Zusammenbruch der Herstatt-Bank 1974 in Deutschland keine Pleite einer Großbank gab. Trotzdem steht die Bankenaufsicht immer wieder in der Kritik. Dabei zielt diese weniger auf die Bundesbank als auf die BaFin und ihren Präsidenten Jochen Sanio. Der 61-Jährige gilt als intimer Kenner der Finanzdienstleistungsszene und genießt international hohes Ansehen. Seine markigen Sprüche und sein machtvolles Auftreten gefallen aber nicht jedem Banker. In Finanzkreisen werden immer wieder Klagen über eine "übermäßige Prüfungsdichte" laut.
Geschwächt wurde Sanio durch eine Korruptionsaffäre in der BaFin. Als Konsequenz daraus, aber vor allem wegen komplexerer Aufgaben soll die Behörde künftig nicht mehr allein vom Präsidenten, sondern von einem fünfköpfigen Direktorium geleitet werden. Ob das Probleme wie mit der IKB oder der SachsenLB verhindern wird, steht auf einem anderen Blatt.