AKTIENHANDEL
Das Internet hat die Transaktionen rasant beschleunigt. In Sekundenschnelle wechseln heute Millionen den Besitzer. Informationen werden in Echtzeit ausgetauscht. Die Folgen sind vielfältig und widersprüchlich
Per Mausklick wechseln heute Millionen sekundenschnell den Besitzer, Geldströme fließen über Bildschirme und Ländergrenzen, Kurseinbrüche laufen wie eine Welle in Minuten über Kontinente. Die globalisierten Finanzmärkte zeichnet eines aus: Beschleunigung. Das Internet spielt dabei eine wichtige Rolle, weil es den Austausch von Informationen international in Echtzeit möglich gemacht hat. Alles geht schneller - im Guten wie im Schlechten.
Das Internet kann Hausse und Baisse verstärken, es sorgt dafür dass einzelne Kurse einbrechen oder anziehen. Gibt ein Unternehmen am Abend nach Handelsschluss in Frankfurt eine Gewinnwarnung heraus, wissen in wenigen Minuten Händler auf der ganzen Welt davon. Der Einsatz ist höher, das Risiko größer, das Tempo rasanter. Jede Nachricht trifft sofort auf ein globales Publikum und wird von viel mehr Menschen gleichzeitig umgesetzt, als dies früher der Fall war.
Die von den Analyseabteilungen der Banken und Investmenthäuser erarbeiteten Kauf- oder Verkaufsempfehlungen gehen heute fast zur selben Zeit an die eigene Wertpapierabteilung und die Kundenberater sowie an die Medien und von dort via Online-Diensten an den Handel. Kurse steigen so rascher als früher - oder stürzen in den Keller. Die weltweite gegenseitige Abhängigkeit der Märkte war zwar schon in den vergangenen Jahrzehnten hoch, doch das Internet hat sie noch einmal verstärkt. Vertrauenskrisen und Börsenturbulenzen wie im Zuge der Kreditkrise in den USA werden durch das Internet auf jeden Fall zunächst verstärkt, weil Ängste beinahe gleichzeitig entstehen und weltweit Panikverkäufe auslösen.
Andererseits: Fachleute wie Professor Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) sehen in der zunehmenden, durch das Internet ermöglichten Vernetzung der Finanzzentren auch das Rezept gegen Wirtschaftskrisen. Die Anschläge vom 11. September 2001 seien dafür ein Beispiel. "Dieser größte anzunehmende Unfall hätte noch vor dreißig Jahren eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst", glaubt Thomas Straubhaar. "Natürlich war und ist der 11. September ein markanter Einschnitt gesellschaftlicher und politischer Art. Wirtschaftlich hatten wir aber nur mit vorübergehenden Auswirkungen zu kämpfen. Die Globalisierung half die wirtschaftlichen Folgen relativ schnell zu kompensieren."
Der Ausfall der Wall Street hätte früher auch Stillstand an den anderen Börsen bedeutet, doch 2001 sind die Börsen in Tokio und London eingesprungen. Dort sind die Geschäfte abgewickelt worden, die durch die Auszeit an der Wall Street nicht gemacht werden konnten.
In diesem Zusammenhang bedeutet Globalisierung: Die Risiken berühren zwar alle, aber sie verteilen sich eben auch. Die gegenseitige Öffnung der Finanzmärkte und der stärkere internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie Informationen und eine internationale Arbeitsteilung sind ohne das Internet nicht zu denken. Kurseinbrüche und kleine Krisen können durch Gegenreaktionen an anderen Orten sehr viel besser als in der Vergangenheit aufgefangen werden. Das zeigte auch die Reaktion auf die hohen Kurseinbrüche an den chinesischen Börsen im Februar 2007. Früher hätte ein solches Ereignis China für lange Zeit zurückgeworfen, doch die chinesische Wirtschaft ging bereits wenige Tage danach wieder zur Tagesordnung über. "Die Echtzeit-Informationen führten dazu, dass ein Schnupfen in China zu einem kurzfristigen Hustenanfall auf der ganzen Welt führte. Aber sie sind auch der Grund dafür, dass dieser Schnupfen nicht zu einer Lungenentzündung wurde", glaubt Thomas Straubhaar.
Einig ist sich die internationale Finanzwelt, dass in die Sicherheit des Internets investiert werden muss. Immer mehr Kunden nutzen die Möglichkeit zum Online-Brokerage. Durch die Direkt-Banken werden die Transaktionen kostengünstiger, effizienter und der Wettbewerb größer. Dadurch werden die Bankgeschäfte billiger und der Online-Broker spart Geld. In Deutschland ist zwar jede Bank der Finanzaufsicht unterstellt und muss strenge Vorschriften beachten, um Finanzgeschäfte tätigen zu können. Mit der Internationalisierung durch das Internet und durch Cyber-Money unterliegen viele Transaktionen nicht mehr diesen strengen Regeln. Das führt für deutsche Händler zu höheren Risiken als früher und zwingt sie dazu, mehr Aufwand zu betreiben, um sich besser zu informieren. "Die Vielfalt und Wahlfreiheit im Internethandel sind sehr positiv, allerdings bedeuten sie auch, dass die Anforderungen für den Einzelnen steigen", sagt HWWI-Leiter Thomas Straubhaar. Wenn tagtäglich mehrere Milliarden einfach per Mausklick virtuell die Besitzer wechseln, ist der Missbrauch eine ständige Bedrohung. Das beginnt bei Spam-Mails und Viren und hört bei Fehlbuchungen, Manipulationen und gezielt gestreuten Fehlinformationen auf. Das zwingt jede Bank und jeden Händler, Informationen zu überprüfen, Quellen zu checken und sich gegen Missbrauch zu schützen.
Dieser wachsende Markt aus Sicherheitslösungen und Informationsmanagement bringt neue Jobs und Produkte. Früher gab es beim Aktienhandel meist nur ein Einheitsangebot - wie beim Kauf und Verkauf über das Telefon. Dabei musste man sich zwar um nichts kümmern, zahlte aber relativ viel und hatte kaum Innovationen. Heute ist die Situation anders: Es gibt viele Anbieter und Angebote. Wenn man sich richtig informiert, kann man viel Geld sparen.
Als einer der ersten Anbieter weltweit setzte die Deutsche Börse konsequent auf den vollelektronischen Wertpapierhandel. Nach dem Start des "Exchange Electronic Trading" (Xetra) am 28. November 1997 gewann das Geschäft per Computer rasant an Bedeutung. Inzwischen ist der Handel auf dem altehrwürdigen Frankfurter Börsenparkett in der Innenstadt nur noch am Rande von Bedeutung und dient vor allem als Kulisse für die Fernsehkameras. Xetra dagegen wurde zum Exportschlager: Ab Mitte 2008 will auch die Bulgarische Börse das Handelssystem nutzen - als vierte ausländische Börse nach Dublin, Wien und Schanghai.
"Das System gilt als kundenfreundlich und sehr sicher", sagt Fidel Helmer, der Leiter des Wertpapierhandels der Privatbank Hauck & Aufhäuser ist. Derzeit beteiligen sich laut Deutscher Börse AG 260 Teilnehmer in 19 Ländern an Xetra, mehr als 4.600 Wertpapierhändler sind angeschlossen. An Spitzentagen verarbeitet das System 8,5 Millionen Transaktionen und führt 1,3 Millionen Handelsbewegungen aus: Kaufen und Verkaufen von Aktien per Mausklick.
"Insgesamt ist Xetra eine absolute Erfolgsstory", bilanziert Wertpapierhändler Helmer. Xetra sei es gelungen, den Hauptmarkt im Aktiengeschäft an sich zu binden. Allerdings hat das System auch seine Tücken: Am 19. November 2007 ließ eine Computerpanne den Xetra-Handel für eine Stunde zusammenbrechen.
Solche Ausfälle gelten in der Branche als mittlere Katastrophe: Banken verlieren Geld, wenn Referenzpreise von Aktien nicht geliefert werden, Anleger verpassen Gelegenheiten zum Kauf von Papieren. Aber solche Pannen sind selten. Tobias Asmuth