Landesbanken
Finanzkrise setzt öffentliche Kreditinstitute massiv unter Druck
Das klingt wahrlich ambitioniert: Peer Steinbrück und Heinrich Haasis malen die Perspektive einer großen Bank der Länder aus. Der SPD-Finanzminister Steinbrück sieht bei den Landesinstituten, wie er sich gegenüber Medien vernehmen lässt, einen Konsolidierungsbedarf, der zu einer "neuen großen deutschen Geschäftsbank" führen solle. Dem Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Haasis, schwebt "eine große internationale Bank" als Partner für Mittelstand und Industrie auf ausländischem Parkett vor. Die Krise an den Finanzmärkten müsse für "Strukturveränderungen" genutzt werden. Andererseits erklärt Haasis auch schon mal, er rechne nach einer Neuordnung mit drei Landesbanken-Gruppen. Indes wollen solche Visionen nicht so recht zum derzeit eher trüben Alltag passen. Das Fusionskarussell, das sich im Herbst rasant drehte, ist praktisch zum Stillstand gekommen. Wer mit wem: Das war damals ein beliebtes Spiel. Übernimmt Siegfried Jaschinski, agiler Boss der potenten Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), nach der maroden SachsenLB auch die angeschlagene WestLB, turtelt er gar noch mit der BayernLB? Oder schlucken die Münchner ihrerseits die Düsseldorfer? Setzt der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers einen Nordverbund durch? Dann macht der CDU-Politiker plötzlich der Hessischen Landesbank (Helaba) Avancen. Doch nichts davon wird bislang umgesetzt.
Jaschinski sieht seine LBBW erst einmal mit der Übernahme der SachsenLB und der vollen Integration der Landesbank Rheinland-Pfalz beschäftigt: "Das ist schon ein Kraftakt". Aus Sicht Peter Schneiders, des Sparkassenpräsidenten im Südwesten, will die LBBW bei der Konsolidierung der Landesbanken zwar weiter mitmischen: "Zunächst muss sie aber ihre eigenen Hausaufgaben machen." Selbst dieses finanzkräftige Institut mit einer Bilanzsumme von 430 Milliarden Euro hält sich also zurück.
Es sind die dramatischen Folgen der von windigen US-Immobilienkrediten ausge- lösten internationalen Finanzkrise samt Börsenabschwung, die den Landesbanken gehörig zu schaffen machen: Erst einmal gilt es, die Brandherde auszutreten. Ob das Desaster als reinigendes Gewitter im Sinne von Steinbrück und Haasis in eine grundlegende Reform des öffentlichen Bankensektors mündet, steht in den Sternen. Zunächst ist Schadensbegrenzung bei diesen Instituten angesagt.
Am schlimmsten wird momentan die WestLB gebeutelt: Nur in einer dramatischen Krisensitzung konnte das Institut am 7. Februar mit Milliardenzuflüssen gerettet werden. Zudem sollen bis 2010 rund 1.500 der 6.000 Jobs abgebaut werden. Im Herbst hieß es zunächst, die Bank habe 2007 beim Handel mit Wertpapieren 600 Millionen Euro in den Sand gesetzt. Da sich die Verluste inzwischen auf eine Milliarde Euro summieren und eine weitere Milliarde Euro wegen der Krise um US-Hypotheken abgeschrieben werden muss, braucht Bankchef Alexander Stuhlmann vom Land und den beiden Sparkassenverbänden als Hauptträgern eine Spritze von 2 Milliarden Euro.
Doch das ist nicht alles: Insgesamt belaufen sich die Risiko-Engagements auf 23 Milliarden Euro, zu deren Abschirmung in einer Zweckgesellschaft die WestLB weitere Garantien benötigt. Diese zusätzliche Sicherung beträgt nach dem zwischen den zerstrittenen Eignern beschlossenen Kompromiss 3 Milliarden Euro. Diese Mittel werden allein vom Land aufgebracht. Im Gegenzug soll sich die WestLB offenbar bei Sparkassen einkaufen können, um so Zugang zum lukrativen Privatbankengeschäft zu erhalten. Laut Aufsichtsratschef Michael Breuer will sich das Institut jetzt auf die "künftige Neuausrichtung konzentrieren". Dazu gehöre auch das Ausloten eines Zusammengehens mit der Helaba. Doch ob sich die Hessen nun offener für Verhandlungen mit der kriselnden WestLB zeigen? Aufsehen erregt eine Meldung des Magazins "Focus", deren Quelle unklar bleibt: Auch LBBW und BayernLB sollen auf luschigen Investments von jeweils mehr als 20 Milliarden Euro sitzen, bei allen Landesbanken würden die unsicheren Papiere auf insgesamt 80 Milliarden Euro geschätzt. Bekannt ist bislang, dass die LBBW rund 800 Millionen Euro abschreiben muss. Immerhin können die Stuttgarter für 2007 gleichwohl mit einem Gewinn von rund 300 Millionen Euro aufwarten. Ob der Rückzug der Bayern aus dem Fusionspoker etwas mit den Risiko-Engagements zu tun hat?
Noch nicht in trockenen Tüchern ist der Notverkauf der SachsenLB, die durch Fehlspekulationen mit faulen US-Hypotheken ins Desaster geschlittert ist, an den Retter LBBW. Theoretisch müssen die Sachsen mit Ausfällen von über 40 Milliarden Euro rechnen. Besonders riskante Papiere in Höhe von 17,5 Milliarden Euro werden in eine Zweckgesellschaft verfrachtet.
Für den Bund der Steuerzahler hat die sächsische Staatsregierung mit öffentlichen Steuergeldern gezockt und sich verspekuliert. Zunächst bürgt die Dresdner Regierung mit 2,75 Milliarden Euro. Sollte dies nicht reichen, müssen die LBBW und ein Sparkassenkonsortium mit jeweils mehreren Milliarden gerade stehen. Für den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) ist die Verteilung der Risikoabdeckung ein gerechter Interessenausgleich zwischen den Landesbanken. Jetzt prüft die EU, ob es sich bei den 2,75 Milliarden Euro möglicherweise um eine unzulässige Staatsbeihilfe handelt - und deshalb hat sich die LBBW für alle Fälle ein Rücktrittsrecht ausbedungen. Deren Chef Jaschinski geht aber davon aus, dass in Brüssel "keine wesentlichen Einwände gegen die Transaktion bestehen". Auch politisch ist die Affäre um die SachsenLB nicht vom Tisch. Georg Milbradt muss sich noch vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags verantworten: Auf dem heißen Stuhl könnte sich das Schicksal des CDU-Ministerpräsidenten entscheiden. Zur Debatte steht auch die Variante, dass alle Landesbanken unsichere Investments gemeinsam in eine Zweckgesellschaft auslagern. Nun verschwinden die Risiken auf diese Weise ja nicht. Indes spricht einiges für einen solchen Schachzug einzelner oder aller Banken im Verbund: Niemand kennt momentan den Wert der fragwürdigen Papiere, der sich derart abgeschirmt auf längere Sicht wieder erhöhen könnte.
Wurzeln die Kalamitäten der Landesbanken in der Unfähigkeit öffentlicher Kreditinstitute, mit Geld umzugehen? Als die Mittelstandsbank IKB und die SachsenLB wegen des Schlamassels bei den US-Hypotheken ins Schlingern gerieten, meldete sich seinerzeit Josef Ackermann zu Wort, Boss der Deutschen Bank: "Dies ist, um es klar zu sagen, vor allem ein Versäumnis des Managements dieser Häuser." Doch die Häme der privaten Konkurrenz ist inzwischen weithin verstummt. Vielleicht hat diese Zurückhaltung damit zu tun, dass sich Institute wie UBS, Merrill Lynch oder Citigroup viel schlimmer verspekuliert haben - und das sind nichtstaatliche Global Player auf dem Finanzmarkt.