Die EU-Kommission soll das europäische Recht in Zukunft härter und konsequenter umsetzen. Dazu wurde das Kollegium in der vergangenen Woche gleich zwei Mal vom Europäischen Parlament aufgefordert. Im Bericht über die Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes fanden die Abgeordneten in diesem Jahr deutlichere Worte als in der Vergangenheit. Die Kommission, klagte die Berichterstatterin, die grüne Fraktionsvorsitzende Monica Frassoni, scheue in vielen Fällen vor Konflikten mit den Mitgliedstaaten zurück und stelle nicht genügend Personal bereit, um die Umsetzung der EU-Vorschriften durch die Mitgliedsstaaten zu kontrollieren. Außerdem habe jede Generaldirektion ihre eigene Methode. Eine systematische Kontrolle der Rechtspraxis in den Mitgliedstaaten sei deswegen kaum möglich.
Nach dem Frassoni-Bericht, der am 21. Februar eine breite Mehrheit in Straßburg fand, ist die Zahl der von Brüssel eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren seit 2003 spürbar zurückgegangen - obwohl es inzwischen mehr Mitgliedstaaten gibt. Industriekommissar Günter Verheugen bestritt in der Debatte, dass es auf die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren ankomme. Wenn es Probleme bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes gebe, könne das auch daran liegen, dass die Vorschriften unklar seien. Bereits am 19. Februar hatten die Abgeordneten die Kommission aufgefordert, strenger darauf zu achten, dass die Regierungen über Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von EU-Mitteln rasch und detailliert berichten. Namentlich genannt wurden Deutschland und Spanien, gegen die Vertragsverletzungsverfahren überfällig seien. Die Parlamentsmehrheit kritisierte insbesondere, dass sich die deutschen Behörden weigern, Subventionsempfänger namentlich zu nennen, bei denen es zu Unregelmäßigkeiten bei der Verwendungh der Mittel gekommen ist.
Das Parlament forderte die Kommission im Frassoni-Bericht auf, bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht "proaktiver" vorzugehen. Es kritisierte, dass eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren zu lange dauerten und die Kommission ihre rechtlichen Möglichkeiten gegenüber den Mitgliedstaaten nur selten ausschöpfe. Diese reichten bis zur Beantragung eines Zwangsgeldes in "angemessener" Höhe beim Europäischen Gerichtshof. Den einschlägigen Artikel 228 des EU-Vertrages müsse die Kommission "konsequenter anwenden", heißt es in dem Bericht. Gleichzeitig verpflichtet sich das Parlament in Straßburg, der Kommission mehr Mittel für die Überwachung zur Verfügung zu stellen. Eine Müllkatastrophe wie in Italien, sagte die Berichterstatterin, hätte vermieden werden können, wenn Brüssel den EU-Umweltvorschriften auch in Italien Geltung verschafft hätte. Statt dessen würde die Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften immer öfter den Mitgliedstaaten überlassen.