URHEBERRECHT
Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung soll Rechteinhaber stärken. Den Grünen geht das aber zu weit
Der Fall sorgte bei vielen Internetnutzern für Entsetzen: Im Oktober 2007 wurde die US-Amerikanerin Jammie Thomas zu einer Strafe von 222.000 Dollar verurteilt, weil sie auf einer Internet-Tauschbörse 24 Lieder zum Download angeboten hatte. Thomas hat Berufung gegen das Urteil eingelegt - doch wie auch immer der Fall ausgehen wird: Er hat viele der etwa zehn Millionen Deutschen, die gelegentlich oder regelmäßig aus dem Internet Musik herunterladen, verunsichert. Wohl zu Recht: In dem meisten Fällen ist diese bequeme Form, an das neuste Album von Amy Winehouse, Prince & Co zu kommen, schlicht illegal. Denn Kompositionen, Filme und Fotografien sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht einfach kopiert und weiterverbreitet werden.
Als "Öl des 21. Jahrhunderts" hat Mark Getty, Eigentümer der gleichnamigen Bildagentur, das geistige Eigentum bezeichnet. Und wie beim richtigen Öl geht es um viel Geld: Wer einen guten Einfall - sei es eine Geschäftsidee oder eine Erfindung - hat, versucht, sie so profitträchtig wie möglich umzusetzen. In Deutschland ist das geistige Eigentum durch verschiedene Gesetze geschützt: Während für geistige und schöpferische Werke das Urheberrecht zuständig ist, fallen Neuheiten aufgrund erfinderischer Tätigkeiten unter das Patentgesetz. Geschmacks- und Gebrauchsmustergesetz schützen Erscheinungsformen, Modelle sowie Designs, und das Markengesetz sichert den Schutz geschäftlicher Bezeichnungen.
Doch je mehr Profit sich mit guten Ideen machen lässt, umso mehr Menschen versuchen, auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen - oft mit unlauteren Mitteln. 30 Milliarden Euro Schaden entsteht nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer deutschen Produzenten jährlich durch Produktpiraterie, 75.000 Arbeitsplätze seien ihr schon zum Opfer gefallen. Während Autohersteller und Maschinenbauer automatisch an Konkurrenten im asiatischen Raum denken, wenn es um das Thema Produktpiraterie geht, haben Film- und Musikindustrie den Gegner im eigenen Land ausgemacht.
Sie haben den Millionen Internetnutzern den Kampf angesagt, die auf Internettauschbörsen wie Gnutella, eMule oder Kazaa Lieder oder Filme austauschen. Das geschieht über so genannte Peer-to-Peer-Netzwerke: Jeder Teilnehmer gibt Dateien auf seinem Rechner frei, die von anderen Teilnehmern heruntergeladen werden können, während er selbst Dateien von anderen Computern lädt. Legal ist das allerdings nur, so lange nur Daten getauscht werden, die mit einer freien Lizenz veröffentlicht wurden. Bei den meisten Musikalben oder Filmen aber sind die Verwertungsrechte im Besitz von Unternehmen der Film- und Musikindustrie - und die sind mit dem so genannten Filesharing alles andere als glücklich.
Dabei wissen sie den Gesetzgeber an ihrer Seite: Bereits die Novelle des Urheberrechtsgesetzes, die 2003 und 2007 in zwei Schritten erfolgte, hat viele ihrer Forderungen aufgenommen. Ihre Quintessenz: Kopien urheberrechtlich geschützter Produkte sind zwar erlaubt - aber nur für den Privatgebrauch und auch nur dann, wenn dabei kein Kopierschutz umgangen wird. Seit dem 1. Januar 2008 gilt: "Wenn für den Nutzer einer Peer-to-Peer-Tauschbörse offensichtlich ist, dass es sich bei dem angebotenen Film oder Musikstück um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt - zum Beispiel weil klar ist, dass kein privater Internetnutzer die Rechte zum Angebot eines aktuellen Kinofilms im Internet besitzt -, darf er keine Privatkopie davon herstellen." Damit ist sowohl das Anbieten als auch das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Stücken verboten.
Auch in einem neuen Gesetzesvorhaben der Regierung werden die Interessen der Rechteinhaber gestärkt: Der Gesetzentwurf zum Schutz geistigen Eigentums ( 16/5048), den der Bundestag voraussichtlich am 11. April verabschieden wird, soll dafür sorgen, dass Rechteinhaber künftig leichter gegen Rechteverletzer vorgehen können.
Das Gesetz, mit dem eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, soll Rechteinhaber in die Lage versetzen, "einen rechtmäßigen Gewinn aus ihren Erfindungen, dem Markenimage oder Werkschöpfungen zu ziehen". Sie können Urheberrechtsverletzter abmahnen und die Vorlage und Sicherung von Beweismitteln sowie Schadenersatz verlangen.
Während die Rechteinhaber momentan nur einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber den Urheberrechtsverletzern selbst haben, räumt der Gesetzentwurf ihnen einen solchen künftig auch gegenüber Dritten, etwa Internet-Providern, ein.
Wenn ein Musikverlag entdeckt, dass jemand in einer Tauschbörse Musikalben von Künstlern zum Download bereit stellt, die bei ihm unter Vertrag stehen, musste er bislang Strafanzeige gegen unbekannt stellen und war darauf angewiesen, dass die Staatsanwaltschaft über ein Auskunftssuchen beim Provider die Daten ermittelte.
Künftig muss der Provider dem Geschädigten auf richterliche Anweisung die Daten aushändigen, wenn der glaubhaft machen kann, dass er der Rechteinhaber ist und der Anbieter diese Rechte in gewerbsmäßigem Ausmaß verletzt hat. Der Umweg über ein Strafverfahren soll so zukünftig entfallen.
Während diese Regelung das Verfahren für die Rechteinhaber einfacher macht, sollen mit einer anderen Bestimmung die Verbraucher geschützt werden: Künftig werden die bei einer Urheberrechtsverletzung fällig werdenden Gebühren für anwaltliche Abmahnungen auf 100 Euro - der Regierungsentwurf hatte sogar nur 50 Euro vorgesehen - begrenzt.
Grund für die FDP, dem Gesetz nicht zustimmen zu wollen. "Diese Deckelung ist systemwidrig und populistisch", kritisiert Mechthild Dyckmans. "Wenn Rechteinhaber ausdrücklich dazu aufgefordert werden, Verletzter abzumahnen, kann man sie nicht auf den Kosten der Rechtsverfolgung sitzen lassen. Für 100 Euro schreibt Ihnen nämlich kein Anwalt eine Abmahnung."
SPD-Rechtsexperte Dirk Manzewski hat sich dagegen für eine Begrenzung der Gebühr eingesetzt, um "Abmahnwellen", wie es sie insbesondere seitens der Musikindustrie und ihrer Anwälte in der Vergangenheit gegeben habe, zu verhindern. "Da ging es nicht mehr um Urheberrechtsverstöße, sondern ums Geldverdienen. Bei erstmaligen geringen Verstößen wurden Anwaltsgebühren von mehreren tausend Euro fällig - das ist nicht angemessen." Auch dass es künftig einen richterlichen Beschluss geben muss, bevor Dritte Auskunft erteilen müssen, hält er für wichtig - und ist froh, dass man dies trotz Bedenken bei Union und Bundesrat in den Gesetzentwurf geschrieben hat. "Wir sprechen hier von sensiblen persönlichen Daten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen letzten Urteilen sehr deutlich gemacht, dass die nicht einfach weitergegeben werden dürfen."
In der Koalition umstritten war auch die Frage, ab wann das Handeln der Rechteverletzer ein "gewerbliches Ausmaß" angenommen hat. "Wenn jemand ein ganzes Musikalbum oder einen Film zum Download bereitstellt, der in Deutschland noch gar nicht angelaufen ist, dann hat das schon wegen der Schadenshöhe ein gewerbliches Ausmaß. Das muss beim Auskunftsanspruch wie bei den Abmahngebühren strenger behandelt werden als etwa der Fall, in dem jemand einen Stadtplanausschnitt auf seine Homepage stellt und damit keinen größeren Schaden anrichtet", so Günter Krings (CDU). Er bedauere, dass "wir mit dem, was vereinbart wurde, immer noch unter das Schutzniveau der meisten anderen EU-Staaten fallen", halte aber den Gesetzentwurf für "insgesamt noch akzeptabel".
Das sehen die Grünen anders. Sie lehnen den Auskunftsanspruch gegenüber Dritten ab, weil damit, so Jerzy Montag, die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums unangemessen bevorzugt würden. "Wenn jemand gesehen hat, wie ein anderer Ihr Auto kaputtgefahren hat, können Sie den auch nicht verklagen, damit er Ihnen sagt, wer es war." Das Gesetz sei "ein Kotau vor der Unterhaltungsindustrie". Es gehe über das, was zur Umsetzung der EU-Richtlinie nötig sei, hinaus. "Das Auskunftsrecht gegenüber unbeteiligten Dritten muss anders als von der Großen Koalition behauptet nicht zwingend aufgenommen werden. Das hat der Europäische Gerichtshof im Januar festgestellt."
Die Rechteinhaber dagegen fühlen sich mit ihrem Kampf im Recht. "Seit 2004 gehen wir gegen Internetpiraterie an", erklärt Daniel Knöll, Pressesprecher des Bundesverbandes Musikindustrie, "das hat die Zahl der illegalen Downloads von über 600 Millionen im Jahr 2003 auf 312 Millionen im Jahr 2006 gesenkt." Allein im ersten Halbjahr 2007 habe man 25.000 Strafanzeigen gegen Internetbenutzer gestellt. Die juristischen Schritte sollen zwar abschrecken, amerikanische Verhältnisse werde es aber nicht geben. "Wir treiben niemanden in die private Insolvenz", so Knöll.
Auch wenn die hohen Forderungen der Musikindustrie gegen Urheberrechtsverletzer eine neue Entwicklung sind: Schon immer haben sich Künstler dagegen gewehrt, dass andere sich zu Unrecht ihres geistigen Eigentums bedienen. "Maselsucht und Hölle" etwa wünschte Eike von Repgow, der Verfasser des "Sachsenspiegels", im 13. Jahrhundert denen an den Hals, die sein Werk verfälschten.
Heute schreckt ein solcher Bücherfluch wohl die wenigsten - die Unterhaltungsindustrie wird deshalb weiter auf Abmahnungen und die abschreckende Wirkung von Beispielen à la Jammie Thomas setzen. Die sucht auf ihrer Website nach einem Anwalt, der sie in der Berufung umsonst vertritt. Den alten Rechtsbeistand kann sie nicht mehr bezahlen.