Finanzkrise
Landesbanken und KfW stürzen in immer größere Turbulenzen. Ihre Neuausrichtung bleibt schemenhaft
Mr. Smith in den Weiten des Mittleren Westens wird wohl nicht wissen, dass seinetwegen in Deutschland die prominente Staatsbankerin Ingrid Matthäus-Maier ihren Hut nahm und in Bayern CSU-Finanzminister Erwin Huber im politischen Schwitzkasten steckt. Die Rückzahlung der von Mr. Smith und von tausenden anderen US-Häuslebauern aufgenommenen Schulden steht auf der Kippe. Deshalb verzeichnet die bayerische Landesbank als Folge des internationalen Spekulationsgeschäfts mit diesen Krediten Abschläge von 4,3 Milliarden Euro bei ihren Wertpapieren. Wie die BayernLB hat auch die eigentlich private IKB Milliarden auf diesem Markt verzockt. Die solide staatliche KfW, deren Chefin Matthäus-Meier bislang war, rutschte in die Miesen, weil sie mit über sieben Milliarden Euro den Löwenanteil der schon 8,5 Milliarden Euro Rettungsgelder für die IKB beisteuern musste, die der KfW nur zu 45 Prozent gehört.
Der Streit um BayernLB und IKB/KfW markiert den spektakulären Höhepunkt des politischen Streits um die weltweite Bankenkrise, der auch im Bundestag und in den Landtagen von Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen hohe Wellen schlägt. Matthäus-Meier trat zurück, um nicht länger "den Kopf für Fehler hinzuhalten, die andere gemacht haben". In der Tat ist sie nicht in die Hasardgeschäfte bei der IKB verwickelt. Und bei der Stützung der IKB zu Lasten der KfW und der Bundeskasse zogen CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos und SPD-Finanzminister Peer Steinbrück die Fäden.
Michael Meister, Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, verteidigt diesen umstrittenen Kurs, da ohne eine Hilfe für die IKB enorme Folgen für den Finanzplatz Deutschland zu befürchten gewesen seien. Eine "direkte Schuld" für das IKB-Desaster will er Matthäus-Meier jedoch nicht zuschreiben. Der FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin wirft ihr hingegen ein "mangelhaftes Risikomanagement" vor. Für Christine Scheel, Fraktionsvize der Bündnisgrünen, wurde Matthäus-Meier indes ein Opfer von "parteipolitischem Mobbing".
In Bayern, wo das Land wie die Sparkassen 50 Prozent an der BayernLB hält, höhnt wenige Monate vor der Landtagswahl SPD-Oppositionsführer Franz Maget über ein "Waterloo" des Finanzministers und CSU-Vorsitzenden Huber. Sepp Dürr, Fraktionschef der Grünen, attackiert eine "Serie von Pfusch, Pannen und Verlogenheiten". Ein Untersuchungsausschuss im Landtag wird das Thema bis zum Urnengang am Köcheln halten.
Das politische Fingerhakeln darf freilich eher als Randphänomen der dramatischen internationalen Bankenkrise gelten, deren Auswirkungen "möglicherweise bis in das Jahr 2009 hinein" zu spüren sein werden, so Steinbrück. Hierzulande werden neben IKB und KfW vor allem die Landesbanken im Mark erschüttert, auch über der Konjunktur schwebt ein Damoklesschwert.
Mr. Smith trifft für die desaströsen Verwerfungen rund um den Globus mit Verlusten von schon 300 Milliarden Dollar im Übrigen keine Schuld. Dass Mr. Smith gegenüber seiner Bank nicht für Zinsen und Tilgung aufkommen kann, ist nämlich nicht das Problem. Mit den Hypotheken der US-Schuldner betrieben vielmehr private und öffentliche Banken einen schwunghaften Handel, was verblendete Profi-Banker in der Hoffnung auf immer höhere Gewinne in einem Spekulationsrausch zu milliardenteuren Geldanlagen verleitete: Das lief über phantasievolle Papiere wie "forderungsbesicherte Wertpapiere", "Conduits" oder "Structured Investment Vehicles". Doch dann ließ ein Preissturz auf dem US-Immobilienmarkt die Scheinwelt fauler Hypothekenkredite zusammenkrachen. Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Linkspartei im Bundestag, empört sich über eine "Spielcasino-Mentalität", mit der Landesbanken letztlich aus Steuermitteln stammende Gelder verschleudert hätten. Steinbrück geißelt die "Jagd nach der schnellen Rendite".
Gewaltig ins Straucheln geraten sind die WestLB, die BayernLB und die SachsenLB. Letztere konnte ihren Untergang nur mit Hilfe der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) vermeiden: Gekoppelt ist die Übernahme durch die Stuttgarter an die Auslagerung riskanter Papiere in einem Umfang von 17 Milliarden Euro in eine spezielle Zweckgesellschaft, wobei die Dresdner Regierung für Ausfälle mit fast drei Milliarden Euro bürgt - das ist etwa ein Fünftel des Landesetats. Auch in Sachsen fühlt derzeit ein Untersuchungsausschuss des Landtags der Regierung auf den Zahn, neben der Opposition sieht auch die SPD als Koalitionspartner der CDU bei Georg Milbradt eine Mitverantwortung für das Debakel - was der Ministerpräsident abstreitet.
WestLB und BayernLB bunkern unsichere Investments in Höhe von jeweils über 20 Milliarden Euro ebenfalls in Zweckgesellschaften: Einen "Risikoschirm" spannen mit jeweils rund fünf Milliarden Euro die Regierungen und Sparkassen beider Länder auf - mithin die Steuerzahler. Die Hoffnung: Vielleicht erholen sich eines Tages auf dem Börsenmarkt die Ramschpapiere, so dass die Verluste minimiert werden können - eine Wette auf die Zukunft, denn die Preise können auch weiter fallen.
Die Debatte über eine Neuausrichtung der Staatsbanken gleicht vorerst einem Stochern im Nebel. Die radikalste Konsequenz aus der Malaise zieht die FDP: "Die Stützung von Banken mit weiteren Steuergeldern muss ausgeschlossen werden", erklärt Finanzexperte Frank Schäffler, die Staatsbanken sollen "privatisiert werden".
Mit dieser Forderung stehen die Liberalen freilich allein. Lafontaine verlangt, "die Landesbanken wieder auf ihren öffentlichen Auftrag zu verpflichten", nämlich in ihren Regionen an der "Lösung wirtschaftlicher und sozialer Probleme mitzuwirken". Aus Sicht von Steffen Kampeter, CDU-Haushaltspolitiker, sind öffentliche Institute für eine stabile Kreditversorgung des Mittelstands vonnöten.
Steinbrück will den Fusionsprozess bei den Landesbanken vorantreiben. Die Augen richten sich vor allem auf die solide LBBW, so wollen die bayerischen und baden-württembergischen Sparkassen ihre Landesbanken vereinen. Doch der Stuttgarter CDU-Finanzminister Gerhard Stratthaus bremst: "Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Probleme anderer Banken zu lösen." Ganz konsequent ist die Grüne Renate Künast, Fraktionsvorsitzende im Bundestag: "Die Landesbanken gehören zu einem Unternehmen fusioniert."
Geht der Trend zurück zu den Wurzeln? Steinbrück und Glos wollen notfalls mehrere hundert Millionen Euro locker machen, um die KfW fit zu machen für ihren Kernauftrag: nämlich über günstige Darlehen an kleinere Firmen, Existenzgründer, Bauherren oder Studenten die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung zu fördern. WestLB und BayernLB scheinen wieder verstärkt das Mittelstandsgeschäft in den Blick zu nehmen: Beide Banken interessieren sich für den Erwerb des - gesunden - IKB-Mittelstandsbereichs, von dessen Verkauf sich die KfW bis zu 800 Millionen Euro erhofft. Carsten Schneider, SPD-Haushaltsfachmann im Bundestag, plädiert jedoch dafür, die IKB zunächst komplett zu sanieren, um sie dann nicht mehr zum "Schnäppchenpreis" veräußern zu müssen. Sichtbar werden auch erste Konturen einer Aufgabenverteilung zwischen Landesbanken: So will unter dem Dach der LBBW die bisherige SachsenLB Kreditgeschäfte besonders in Polen und Tschechien tätigen, die Saar-LB als Teil der BayernLB konzentriert sich auf Frankreich.
So schwer auch die Spekulationsgier die Landesbanken heimsucht: Weitaus stärker haben sich private Großbanken verzockt. Abschreibungen bei der Schweizer UBS belaufen sich auf bislang schon 37 Milliarden Dollar, bei Merrill Lynch auf 25 Milliarden, bei der Citigroup auf 21 Milliarden oder bei Morgan Stanley auf 13 Milliarden Dollar - das sind nur die "Spitzenreiter". Und das große Zittern geht weiter. Die Bankenaufsichtsbehörde Bafin sieht noch viele Risiken. Der Internationale Währungsfonds IWF schätzt, dass sich die Verluste weltweit auf bis zu einer Billiarde Dollar summieren könnten.
Plötzlich ist der Staat als Retter gefragt: In Großbritannien wurde die kriselnde Bank Northern Rock verstaatlicht, in den USA hilft die Regierung schwächelnden Instituten, bei der privaten IKB trägt die öffentliche Hand die Hauptlast der Sanierung. Trotz staatlicher Interventionen schürt die gigantische Geldvernichtung die Furcht vor Auswirkungen auf Industrie und Dienstleistungen außerhalb des Finanzsektors. Der Internationale Währungsfonds rechnet mit Folgen für das Wirtschaftswachstum. "Die Übertragung der Finanzkrise auf die reale Wirtschaft", so Chef Dominique Strauss-Kahn, "beginnt, fühlbar zu werden." Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft kommt "auf jeden Fall ein negativer Einfluss auf die deutsche Wirtschaft" zu. Glos und Steinbrück betonen immer mal wieder, die hiesige Ökonomie sei einer Krise besser gewachsen als die USA. Joachim Poß, SPD-Fraktionsvize im Bundestag: "Die deutsche Wirtschaft ist robuster als noch vor wenigen Jahren." Da schwingt auch eine gewisse Hoffnung mit.