Roman
Ein Blick in das Innenleben einer Armee
Wenn ein Soldat stirbt in Israel, kommt es zu jenem Spiel: Die Kameraden, die einen aus ihrer Mitte verloren haben, setzen sich zusammen, sagen immer wieder "Er wird nicht mehr..." und fügen an, was er oder sie nicht mehr erleben wird. "Er wird seinen kleinen Bruder nicht mehr ins Kino mitnehmen", heißt es dann, oder auch, weniger pietätvoll: "Er wird nicht wissen, wie es ist, die schärfste Braut im Land richtig ranzunehmen, (...) irgendeinen One-Night-Stand, um dann, wenn seine große Liebe ihn verlässt, zu spät zu kapieren, dass es das einfach nicht wert war." Oder: "Er wird nicht wissen, dass wir aus dem Libanon raus sind."
Ron Leshem, ehemaliger Armist und heute Journalist in Tel Aviv, hat diesen letzten Worten für einen toten Soldaten den Beginn seines Debütromans "Wenn es ein Paradies gibt" gewidmet. Wenn man Leshem glaubt, wogegen nichts spricht, wird die Textpassage seither immer wieder auf Beerdigungen vorgelesen. Sie stammen aus einem Buch, das nicht nur in Israel für Aufsehen und auch für ein Gutteil Verstörung sorgte. Es schildert als eines der ersten Werke eines israelischen Autors überhaupt das Leben aus Sicht eines im ständigen Krieg befindlichen Wehrdienstleistenden - und das ist jeder Jugendliche in Israel.
Das Paradies der Protagonisten des Buchs ist der Stützpunkt Beaufort im Süden des Libanon. "Willkommen", sagt der Kommandeur in dem Buch zu den 14 Neulingen, unter ihnen der Ich-Erzähler Eres, "wenn es ein Paradies gibt, dann sieht es genau so aus, und wenn es eine Hölle gibt, dann fühlt sie sich genau so an." Beaufort ist eine Festung aus dem 12. Jahrhundert, in der landschaftlich reizvollen Bergwelt des Libanon gelegen - aber leider unter ständigem Beschuss der Hisbollah.
Tatsächlich haben Soldaten wie Eres den Stützpunkt von 1982 bis zum Abzug der israelischen Armee im Jahr 2000 18 Jahre lang verteidigt, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Ihren Feind, die Hisbollah, sehen sie nie und spüren ihn immer. Und sie hören die Raketen, mit denen sie nachts angegriffen werden und die immer wieder einen von ihnen töten. Gelegentlich spricht der Feind auch aus dem Radio zu ihnen: "Ihr werdet unterliegen, begreift, dass ihr unterliegen werdet."
Der Roman, den man wohl als Anti-Kriegs-Roman bezeichnen kann, wurde außer in Israel auch in den USA ein großer Erfolg - und noch vor Erscheinen der deutschen Übersetzung, gab es für den Film "Beaufort" 2007 den "Silbernen Bären" der Berlinale für die beste Regie.
Wenn es ein Paradies gibt. Roman.
Rowohlt Berlin, Berlin 2008; 349 S., 19,90 ¤