BildungsSYSTEM
Privatschulen sind so gut wie unbekannt
Israels Gesellschaft ist jung. Die Schülerzahlen sind dementsprechend an der Gesamtbevölkerung gemessen hoch. Im Schuljahr 2007/2008 drücken knapp anderthalb Millionen junge Menschen - also jeder fünfte Israeli - die Schulbank. Die Schulpflicht besteht vom sechsten bis zum 16. Lebensjahr. Von der ersten bis zur sechsten Klasse besuchen die Kinder die Grundschule, von der siebten bis zur neunten Klasse die Mittelstufe und anschließend das Gymnasium, das mit der zwölften Klasse endet. In der Oberstufe können die Schüler zwischen einer akademischen, technologischen, agrarwissenschaftlichen oder militärischen Fachrichtung wählen.
Nur jeder zweite Zwölftklässler schafft das Abitur. Die anderen müssen sich mit einem "Abschlusszeugnis" begnügen, das allerdings keine Studienberechtigung an einer Hochschule bedeutet. Privatschulen sind so gut wie unbekannt, das öffentliche Schulwesen wird vom Staat finanziert. Schulgebühren fallen offiziell nicht an. In der Praxis investieren Eltern dennoch hohe Summen in die Bildung ihrer Kinder, sei es durch Nachmittagsprogramme, so genannte "Elternzahlungen" zur Unterstützung von Schulaktivitäten oder Nachhilfeunterricht. Zudem stellt der relativ kurze Schultag ein Arbeitshemmnis für die Eltern dar. In der Regel sind es Mütter, die wegen der Schule keine oder nur eine Teilzeitstelle annehmen können.
Die ethnische und kulturelle Heterogenität der israelischen Gesellschaft zeigt sich auch im Schulwesen, das aus vier unterschiedlichen, historisch gewachsenen Bildungs- systemen besteht.
Knapp vier Fünftel aller Schüler besuchen hebräischsprachige Schulen. Hiervon wiederum gehen 60 Prozent auf allgemeine - offiziell: "staatliche" -Schulen. Diese sind mit dem im Westen üblichen Modell vergleichbar. Weitere 19 Prozent frequentieren "staatlich-religiöse Schulen". Hier wird, zusätzlich zu allgemeinen Lerninhalten, das Religionsstudium stark betont. Ultraorthodoxe Alef-Beth-Schützen sind in dem wegen der in strenggläubigen Familien hohen Kinderzahl in dem äußerst rasch expandierenden so genannten "unabhängigen Schulwesen" zu finden. Damit sind ultraorthodoxe Einrichtungen gemeint, die vom Staat finanziert werden, die aber für staatseigene Schulen vorgeschriebene Lerninhalte - etwa im Bereich Naturwissenschaft oder Fremdsprachen - nur zum Teil einhalten. Stattdessen konzentrieren sie sich auf das Studium der Tora.
Aus der Sicht von Kritikern fördert der Staat damit ein System, das seinen Schülern keine ausreichende Befähigung für die moderne Gesellschaft bietet. Die Betroffenen selbst sehen in den "unabhängigen" Schulen das selbstverständliche Recht einer traditionsorientierten Bevölkerungsgruppe.
Angehörige der arabischen Minderheit - 22 Prozent aller Schüler -, besuchen arabischsprachige Schulen. Damit soll der kulturellen und sprachlichen Identität der arabischen Israelis Rechnung getragen werden. Allerdings wirkt sich die im Durchschnitt schlechtere finanzielle Ausstattung des arabischen Schulwesens negativ auf schulische Leistungen aus und stellt ein Hindernis für die spätere Integration arabischer Bürger auf dem Arbeitsmarkt dar. Grundsätzlich strebt die Regierung eine Aufwertung des arabischen Schulwesens an, bisher jedoch ohne durchschlagenden Erfolg: ein Umstand, der das Verhältnis zur arabischen Minderheit belastet. Gemischte jüdisch-arabische Schulen bleiben seltene Ausnahmen.
Der Autor arbeitet als
freier Journalist in Israel.