Herr Erzbischof, Sie haben vor fünf Jahren die weltweit erste arabisch-christlich-israelische Universität eröffnet. Was waren Ihre Beweggründe?
Das Projekt der Mar Elias Universität sollte dazu beitragen, die Abwanderung der arabischen Minderheit zu stoppen. Wir wollten den jungen Leuten eine gute Ausbildung mit der Aussicht auf einen besseren Job in der Zukunft ermöglichen. Leider klopfen wir jedoch schon seit sechs Jahren an die Türen des Bildungsministeriums für eine staatliche Anerkennung unserer Universität und erhalten nichts anderes als leere Versprechungen.
Rund zwei Prozent der Bevölkerung in Israel sind Christen. Wie beurteilen Sie die Situation der Christen im Heiligen Land ?
Die Situation der Christen im Heiligen Land hängt von der allgemeinen Lage in Israel ab, die im Moment sehr prekär ist. Die Christen sind ein Teil der arabischen Minderheit in Israel, die sich immer mehr an den Rand gedrängt fühlt. Wir setzen aber unseren Verstand und unsere Beziehungen dafür ein, dass die Entscheidungsträger in Israel die arabische Bevölkerung als einen Partner der jüdischen Mehrheit akzeptieren, der gemeinsam mit ihnen das Land aufbauen will.
Sie sind 1939 in Galiläa geboren und setzen sich seit vielen Jahren als israelisch-arabischer Erzbischof für den Dialog zwischen den Religionen ein. Wird es irgendwann Frieden im Nahen Osten geben?
Der Dialog der Religionen ist eine Sache und der Glaube an den Frieden in der Zukunft etwas anderes. Ich bin überzeugt, dass religiöse Männer und Frauen aus den verschiedenen Konfessionen eine größere Rolle spielen müssen als sie es bis jetzt taten, um Frieden in die Gesellschaft tragen zu können. Daher ist der interreligiöse Dialog so wichtig, damit sich die Menschen besser kennen lernen und die Religion des anderen nicht als eine Bedrohung, sondern als eine Bereicherung erfahren wird.
Was muss nach Ihrer Meinung die Politik dafür tun?
Die Politik sollte endlich aufhören, an die Absurdität einer "militärischen Lösung" zu glauben. Israel hat keine Chance auf Frieden, wenn immer noch 3 Millionen Palästinenser unterdrückt werden. Militärische Einsätze produzieren immer nur Zerstörung, viele Opfer, Invalide und Waisen. Wir müssen endlich eine Alternative zu Gewalt und Terror finden. Wir müssen Wege finden, um den Menschen zu helfen, die arm und ohnmächtig sind.
Und was muss sich außerdem im Denken der Menschen ändern?
Sie brauchen ein Herz aus Fleisch und nicht eines aus Stein. Sie müssen auf die Schreie der Mütter und Kinder hören, die ihrer menschlichen Würde beraubt werden. Wenn sie nicht auf diese Stimmen hören, werden sie meiner Meinung nach weiterhin Massaker verüben und Terror produzieren.
Die Fragen stellte
Marie Czernin