OLIVES OF PEACE
Juden und Palästinenser produzieren gemeinsam Olivenöl. Statt über ihr Land wollen sie in Zukunft lieber über Preise und Lieferzeiten streiten
Die Kulisse war perfekt: der Berliner Gendarmenmarkt zu Weihnachten 2007. Drei junge Frauen, deren Familien aus dem Nahen Osten stammten, verkauften Flaschen der neuen israelisch-palästinensischen Marke "Olives of Peace". Viele deutsche Passanten waren von dieser einmaligen Initiative begeistert, berichtet Ewald König, der den Verkauf des Öls initiiert hatte. "Aber viele hielten diese israelisch-palästinensische Kooperation für unmöglich, ja für einen weihnachtlichen Spendenschwindel, den sie öffentlich kritisierten", erzählt König. Wären sie dabei gewesen, als sich der Israeli Oded Salmon und der Palästinenser Fares Jabi an einem Tag im Mai 2007 im Westjordanland herzlich umarmten, hätten sie keine Zweifel mehr.
Genau dieser Salmon ist Besitzer eines großen Olivenhains kurz vor der Grenze zum Westjordanland. Kaum ein Israeli überquert den militärischen Checkpoint Kalanswa. Nur einzelne jüdische Siedler und wenige Palästinenser - letztere nur mit einer Sondergenehmigung - befahren die frisch asphaltierte Straße. So weit das Auge reicht, sieht man sanfte Hügel mit Olivenhainen. Nur ein Gedenkstein am Straßenrand erinnert daran, dass man sich nicht in der Toskana befindet: Das Denkmal steht für einen Israeli, der an dieser Stelle von Palästinensern erschossen wurde.
Der Olivenöl-Experte und stellvertretende Leiter des Ölprojekts ist an diesem Tag mit dem Olivenberater Jabi verabredet. Hat er Angst? "Vor meinen Gesprächspartnern keinesfalls", sagt er. Er kennt Jabi bereits seit mehr als seit 20 Jahren. Damals bildete Jabi, der in Israel Landwirtschaft studiert hat, zusammen mit Salmon palästinensische Bauern aus. Beide Männer verbindet die Passion für Olivenbäume. Seit dem Ausbruch der zweiten Intifada im Jahr 2000 darf Jabi Israel aber nur mit einer Sondergenehmigung betreten, wenn er an einem Seminar über Oliven teilnimmt. Nun treffen sich beide in einer Plantage außerhalb des Dorfes Dir Sharef bei Nablus.
Als Khaled Junaidi, der Vorsitzende des palästinensischen Olivenölrates, unerwartet eintrifft, ist die Freude komplett. Ein hebräisches "Schalom" mischt sich mit dem arabischen "Salamat", die Männer lächeln sich zu, tauschen die letzten Neuigkeiten und Komplimente in einem Olivenhain aus. "Ich wünsche mir, alle Israelis wären Menschen des Friedens wie Oded", sagt Jabi. "Meine Zusammenarbeit mit Fares ist sehr eng, wie so oft bei Bauern, die die Politik einfach beiseite lassen", erwidert Salmon.
Die israelisch-palästinensische Zusammenarbeit basiert nicht nur auf Freundschaft, sondern vor allem auf wirtschaftlichen Interessen. Die gesundheitsbewussten Israelis verzehren doppelt so viel Olivenöl wie sie produzieren. Das kommt den Palästinensern zugute, die ihr Olivenöl nicht mehr nach Jordanien exportieren dürfen - das Königreich hat Überschüsse. Seit 2004 importiert Israel zunehmend palästinensisches Olivenöl, sodass sich sein Preis seitdem verdoppelte und Israel zum wichtigsten Kunden der Palästinenser avancierte. Die Palästinenser haben zu viel Öl, die Israelis zu wenig. Dafür ist die Qualität des palästinensischen Öls verbesserungswürdig, die Israelis haben hingegen das ausgefeiltere Know-how.
Aufgrund der militärischen Absperrungen können die Palästinenser nur über Israel exportieren: "Die meisten Israelis und die Palästinenser haben den gleichen Geschmack - eher bitter und mit einem starken Geruch soll das Öl sein", sagt Salmon. Damit es auch koscher bleibt, führen orthodoxe israelische Juden palästinensische Oliven ein und lassen sie in Israel pressen. "Der Rabbi muss doch anwesend sein, und er wird kaum ins Palästinenser- gebiet fahren."
Auch Stef Wertheimer nicht. Der 81-jährige Industrielle, der aus Deutschland stammt, glaubt dennoch, Israelis müssten dazu beitragen, dass die Palästinenser Arbeitsplätze haben - zu ihrer eigenen Sicherheit.
Seit 25 Jahren unterstützt er daher neue Geschäftsinitiativen von Juden und Arabern, damit "Israelis und Palästinenser über Preise und Lieferzeiten reden, statt über Land und Religion zu streiten". Dafür wurde er im März vom Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt.
In Wertheimers Exportakademie und mit Förderung der japanischen Regierung haben Salmon und Jabi seit 2005 Seminare für 40 palästinensische und 40 israelische Bauern organisiert, Besitzer von Ölpressen und Händler.
So lernten sie von Experten wie dem israelischen Professor Shimon Lavi, maschinell zu ernten und den gemeinsamen Feind zu bekämpfen: die Olivenbaumfliege. "Die Zusammenarbeit war mir sehr wichtig, denn ich wollte nicht, dass Israelis Palästinenser über Olivenöl belehren", sagt Lavi. Während eines Seminars entstand die Idee der neuen Marke: Oliven des Friedens. Weil die Seminare die Produktivität der palästinensischen Bauern bereits verbesserten und sie dort Vertrauen zu ihren israelischen Partnern gewannen, machen rund 40 von ihnen mit.
Im März 2007 wurden die ersten Flaschen bei einem Festakt im Kibbuz Metzer getauft, direkt an der Grenze zum Westjordanland. Die engen Beziehungen der Kibbuz-Mitglieder zu den Palästinensern des benachbarten Dorfes Qaffin überstanden sogar einen Terroranschlag und die Trennung durch den Sicherheitszaun. In Metzer pflegt man kostenlos die Olivenbäume der Nachbarn, die sich auf der israelischen Seite des Zauns befinden. Beim Festakt kosteten die 70 Israelis und Palästinenser das Öl aus den neuen transparenten Flaschen mit den Etiketten, die von einem Olivenzweig und einer Taube geziert werden. "Produziert durch palästinensische und israelische Anbauer, die nach Frieden streben", versichern die Hersteller. In jeder Flasche mischen sich israelisches und palästinensisches Öl und ergeben eine klare hellgrüne Flüssigkeit. Dafür sorgen je zwei israelische und zwei palästinensische Ölpressen. Die zwei ausgewählten Flaschenfabriken - im Kibbuz Jad Mordechai und im palästinensischen Taibeh - kaufen das Öl zur Hälfte von jeder Seite und zahlen ein wenig über dem Marktpreis dafür. Eine hohe Qualität ("extra virgin") sei allerdings wichtiger als die Symbole des Friedens, betont Lavi. "Wir machen keine Politik, sondern bauen ein System, das beiden Seiten Profit bringt. Selbstverständlich hoffen wir, dass unsere Zusammenarbeit zum Frieden beiträgt."
Bis dahin und solange die Gewalt herrscht, erschweren die strengen Sicherheitseinschränkungen die Zusammenarbeit. Anderthalb Stunden dauerte Jabis 10-Kilometer-Fahrt von seinem Haus in Nablus bis zum Olivenhain. "Zwei Checkpoints sind heute geschlossen", beklagt er. Die Olivenbäume an unserem Treffpunkt mussten vor kurzem auf Anordnung der Armee eingezäunt werden, damit Terroristen dort kein Versteck fänden. Weil jüdische Israelis nicht nach Palästina und Palästinenser nur sehr begrenzt nach Israel dürfen, fahren arabische Israelis mit Sondergenehmigungen die LKW mit Öl über die Grenze. Manchmal dient Salmon als Kurier. "Das wurde vom israelischen Olivenrat genehmigt."
Die ersten 1.000 Flaschen wurden bereits produziert. Die Hälfte ging an japanische und kanadische Diplomaten sowie an einen großen Konzern. Die Zusammenarbeit kommt vor allem den 100.000 Palästinensern zugute, die ihr knappes Einkommen durch Olivenöl ergänzen, denn seit der Intifada dürfen nur noch die wenigsten in Israel arbeiten. Im Schatten der Olivenölbäume diskutierten die drei Experten darüber, dass der Geschmack keine Grenzen kennt. "Die Israelis haben sich rasch an unser Olivenöl gewöhnt, das ähnlich schmeckt wie das Öl aus Galiläa", sagt Jabi. "Es ist bitter und sehr gesund, weil die Bäume nicht bewässert werden", ergänzt Salmon. Und Junaidi, der an seinem Anzug eine goldene Nadel in Form eines Olivenblatts trägt - ein Geschenk des israelischen Olivenrats -, sieht bereits die Früchte der Zusammenarbeit: "In diesem Jahr haben wir durch die Koordinierung mit der Armee erreicht, dass die meisten Bauern, deren Land sich in der Nähe des Zauns oder der Siedlungen befindet, zum ersten Mal seit Ausbruch der Intifada 2000 ihre Oliven pflücken konnten".
Er überzeugte den Geheimdienst, seinen palästinensischen Partnern Einreisegenehmigungen nach Israel zu erstellen. Auch die gemeinsamen Seminare werden fortgesetzt. Für die kommenden zwei Jahre wird Japan die Kosten dafür tragen.
In Erwartung einer wachsenden Nachfrage suchen die Projektleiter nach Investoren, vielleicht auch Aktionäre. Denn sie schreiben erst ab einer halben Million Flaschen einen Gewinn. Israelische Marketingexperten bemühen sich gleichzeitig darum, deutsche Kaufhäuser für das Olivenöl zu gewinnen. Das ist keine leichte Aufgabe, berichtet einer, der anonym bleiben will. "Alle lobten die noble Idee der israelisch-palästinensischen Annäherung, nur die Flaschen wollte bisher keiner".
Man wolle keine Politik in der Lebensmittelabteilung, hieß es. Die deutschen Kaufhäuser befürchteten, ihre Kunden würden das Olivenöl mit dem Argument ablehnen, es entstünde durch Ausbeutung der palästinensischen Bauern. Die an dem Projekt beteiligten Israelis und Palästinenser bündeln ihre Kräfte nun, um ihre gelungene Kooperation auch den Deutschen überzeugend darzustellen.