Die Produktion von Biosprit verschärft die Lage auf dem Weltmarkt für Lebensmittel - darin waren sich am 22. April bei der Debatte im Europaparlament Redner fast aller Fraktionen einig. Die Hauptursache sehen sie allerdings darin, dass in den Schwellen- und Entwicklungsländern das Prinzip der Selbstversorgung jahrelang zugunsten einer Produktion für den Weltmarkt vernachlässigt worden sei.
Joseph Daul, der Vorsitzende der konservativen Fraktion, sagte bei der Debatte im EP: "Biokraftstoffe machen nur zwei Prozent der gegenwärtigen Agrarproduktion in Europa aus. Sie sind nicht verantwortlich für die Knappheit. Wir müssen der Nahrungsmittelproduktion einen größeren Stellenwert einräumen." Spekulanten, die Nahrungsmittel horteten, um den Preis in die Höhe zu treiben, spielten mit dem Leben der Armen.
Martin Schulz, Vorsitzender der sozialistischen Fraktion, assistierte Daul mit einem griffigen Bild: "Der Casino-Kapitalismus hat an den Tischen der Armen Platz genommen", donnerte er. "Wir können nicht zulassen, dass ein aus den Fugen geratenes Finanzsystem dazu beiträgt, dass der Hunger in der Welt steigt." Große Anlagenfonds, "die jeden Tag hunderte Milliarden um die Welt schieben", hätten sich des Nahrungsmittelsektors bemächtigt. Dieser Punkt werde in der Debatte oft vernachlässigt.Die Liberalen sehen in den EU-Agrarsubventionen, die verzerrte Marktbedingungen schafften, die Quelle allen Übels. "Statt den Biotreibstoff zum Sündenbock zu machen, müssen wir endlich mit der Subventionspolitik Schluss machen. Nur eine faire Zusammenarbeit auf globaler Ebene kann die Marktanreize schaffen, um das Problem in den Griff zu bekommen", glaubt der liberale Abgeordnete Graham Watson. Der grüne Abgeordnete Claude Turmes hingegen hält das von der EU vorgegebene Ziel, dem Kraftstoff bis 2020 mindestens zehn Prozent Biodiesel beizumischen, für das falsche Signal. "Damit sagen wir Millionen junger Chinesen und Inder: Ihr könnt riesige Schlitten fahren und sie hinterher mit Biotreibstoff füllen." Der EU sei es nur darum gegangen, den Automobilherstellern die Umstellung auf spritsparende Modelle zu ersparen. Sein Kollege Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf forderte hingegen eine "ganzheitliche Energiepolitik."