Aktenfresser" nannte man einst Edmund Stoiber in einer Mischung aus Abschätzigkeit und Bewunderung für sein Detailwissen. Ob Frank Schäffler ein ähnlich enges Verhältnis zu Akten hat wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident ist zwar fraglich. Unbestreitbar aber schätzt es der Bundestagsabgeordnete, den Dingen auf den Grund zu gehen. Was für andere trocken oder mühselig ist, fasziniert ihn: Zahlen, Statistiken, Bilanzen. Selbst vor dem Einschlafen würde der FDP-Finanzexperte lieber zu einem Sachbuch greifen als zu einem Roman.
Geboren 1968 in Schwäbisch Gmünd, aufgewachsen in Ostwestfalen-Lippe, sind es schon früh die Wirtschafts- und Finanzthemen, die den Jugendlichen interessieren. Schäffler absolviert eine Ausbildung zum Industriekaufmann, als er in der Berufsschule von einem Mitschüler angesprochen und zu einer Sitzung des FDP-Ortsvereins mitgenommen wird: "Der hatte bei einer Wahlsimulation im Politikunterricht mitbekommen, dass ich mit den Liberalen sympathisiere", erzählt er. Ein Treffen mit Folgen: 1987 tritt der damals 18-Jährige in die FDP ein. Wenig später gründet er mit ein paar Gleichaltrigen die erste Gruppe der "Jungen Liberalen" in Bad Salzuflen. Die Jugendlichen haben hochfliegende Pläne, sehen sich jedoch zunächst mit der eher bodenständigen Kommunalpolitik konfrontiert. Für Frank Schäffler kein Widerspruch. "Im Gegenteil", sagt er, "dort hatten wir gerade das Gefühl, etwas bewegen zu können. Er beendet seine Ausbildung, beginnt in Bielefeld Betriebswirtschaftslehre zu studieren.
Doch die Politik lässt ihn nicht mehr los. Bereits als 21-Jähriger wird er Mitglied im Kreistag. Dort bietet man dem "Spund" zunächst einen Platz im Jugendhilfeausschuss an. Aber das kommt nicht in Frage: "Ich wollte dorthin, wo viele Themen behandelt werden." Schäffler wird Mitglied im Finanzausschuss. Ein Sprung ins kalte Wasser. Doch der junge Mann arbeitet sich schnell ein: In der Diskussion um die Berechnung der so genannten Kreisumlage oder eine mögliche Sparkassenfusion profiliert sich Schäffler mit Sachkenntnis - und Chuzpe. Als er einmal seinem damaligen Ausschussvorsitzenden vorwirft, "nicht rechnen" zu können, ist die Aufregung groß - auch in der lokalen Presse. Schäffler muss heute lachen bei dem Gedanken an den Vorfall: "Das war harter Toback!" Doch Kritik gehöre zum Geschäft. Mehr noch: "Wenn man mit einem Thema durchdringen will, muss man auch provozieren, um gehört zu werden".
Das gilt besonders für Oppositionspolitiker. In letzter Zeit hört man Frank Schäffler immer öfter: In der Diskussion um die wachsenden Verluste der Mittelstandsbank IKB und die Suche nach den Verantwortlichen meldet sich der Finanzexperte häufig zu Wort: "Milliarden Steuergelder werden verbraten und keiner will Schuld sein", kritisiert Schäffler.
Auch im Fall Phoenix, einem der größten Anleger-Betrugsskandale in der deutschen Geschichte, bewies er Weitblick: Schon früh hatte er gewarnt, das Anlegerentschädigungssystem sei kaum tragfähig. Der Fall der Schwindelfirma Phoenix gab ihm Recht: Rund 30.000 Anleger wurden betrogen, der Entschädigungseinrichtung jedoch fehlt bis heute das Geld, um die Betrugsopfer abzufinden. "So bitter der Fall ist", sagt Schäffler, "ich sehe ihn als Erfolg. Nun können wir die Regierung zum Handeln zwingen."
Seit seinem Einzug in den Bundestag 2005 waren es solche finanzpolitischen Themen, mit denen er sein Profil schärfte. Dennoch möchte sich Frank Schäffler nicht auf den "Finanzmarktpolitiker reduzieren lassen". Auch als Wirtschafts- und Sozialpolitiker will er "Duftmarken setzen". Schließlich schätzt er an seiner Arbeit vor allem die Freiheit, sich in unterschiedliche Themen einzuarbeiten: "Dank meiner Mitarbeiter kann ich das gründlich und detailliert tun - ein Privileg."
Doch irgendwann muss auch er einmal Pause vom Aktenstudium machen: Besonders beim Fußballspielen bekommt er den Kopf frei. Seit einiger Zeit kickt der zweifache Familienvater in der Mannschaft des Bundestags. Offenbar auch hier mit Erfolg: Gleich im ersten Spiel schoss er ein Tor.