China hat viele Probleme, die nichts mit Sport zu tun haben. Nach dem Erdbeben ersehnen Hunderttausende Hilfe und Trost. Peking erstickt im Smog, auf dem Land herrscht Armut. Und die Olympische Fackel ist zeitweilig erloschen - das sonst hofierte Startup-Reich ist verletzt in seinem Stolz.
Der Protest in Tibet und seine gewaltsame Niederschlagung haben daran erinnert, dass China eine Diktatur ist. Das hatte die Welt gerne vergessen wollen, auch mit Hilfe der Spiele. Natürlich kann der organisierte Sport die Politik nicht besser machen als sie ist. Aber wenn man die Spiele an eine Diktatur vergibt, muss man politisch sensibel denken und klug handeln. Das hat der organisierte Sport bislang versäumt. Während das Regime die Proteste niederschlug, belehrte das IOC die Sportler, dass sie während der Spiele nicht zu demonstrieren hätten. Die Funktionäre der Ringe, die immer noch darum ringen, ob mündige Athleten im Olympischen Dorf Armbänder für Menschenrechte tragen dürfen, haben sich zu sehr vereinnahmen lassen.
Ja, die Spiele sollen in China stattfinden, im bevölkerungsreichsten Land der Erde. Das Sportereignis lenkt die kritischen Augen der Welt nicht nur auf das neue Olympiastadion, sondern auch auf den Platz des Himmlischen Friedens und das Leid in Lhasa. Sport soll sich auch neutral verhalten. Unpolitisch aber kann er nicht sein. Wenn China olympische Symbole wie die Fackel zur Propaganda auf den Mount Everest trägt und derweil weiter Oppositionelle inhaftiert, die Presse behindert und die Visaregeln verschärft, muss sich das IOC deutlicher als bisher von den Tätern distanzieren. Warum muss das Verbot politischer Werbung nur für Sportler gelten, nicht aber für Chinas Funktionäre? Der Spielraum des Sports ist größer als er sich selbst zugesteht. Ausladen kann China die Welt nicht mehr.