FÖRDERUNG
Mit 6 Milliarden Euro finanzieren Bund, Länder und Kommunen jährlich Spitzen- und Breitensport
Die Enttäuschung ist programmiert. Man weiß es schon jetzt: Die deutschen Sportler der Bundesrepublik werden im olympischen Prestigespiel von Innsbruck weniger häufig auf dem Siegertreppchen zu finden sein als ihre deutschen Kollegen." Gerhard Seehase sollte Recht behalten. Wie es der Journalist in seinem "Zeit"-Artikel vom 30. Januar 1976 vorausgesagt hatte, holte die Mannschaft der DDR bei den olympischen Winterspielen in Innsbruck 19 Medaillen und landete im Medaillenspiegel hinter der Sowjetunion auf Platz 2, während die Bundesrepublik mit zehn Medaillen Fünfter wurde.
Einer der Gründe für die sportlichen Erfolge der DDR war die gezielte Sportförderung, die die DDR-Führung schon 1956 beschlossen hatte und mit der sie die "Überlegenheit der gesellschaftlichen Ordnung" im sozialistischen deutschen Staat demonstrieren wollte. Die Historikerin Uta Balbier spricht daher vom "kalten Krieg auf der Aschenbahn", in dessen Verlauf die "sozialistischen Feinbilder" sich zu "einflussreichen Vorbildern" gewandelt und schließlich entscheidend die Entwicklung der Sportförderung in der Bundesrepublik beeinflusst hätten. Tatsächlich glaubte man anfänglich in der Bundesrepublik, Sport sei Privatsache und solle nicht durch politische Implikationen beeinflusst werden. Doch spätestens Ende der 1960er-Jahre setzte ein Umdenken ein: Der Sport wurde zu einem Instrument, mit dem das Image des Landes im Ausland bestimmt und nach innen Identität gestiftet werden konnte.
Heute würde niemand mehr die Symbiose von Sport und Politik bestreiten - die sich an Zahlen messen lässt. Auf etwa 6 Milliarden Euro jährlich beziffert der Kölner Sportwissenschaftler Christoph Breuer die direkte Förderung des Sports durch Bund, Länder und Gemeinden. Davon trägt der Bund mit knapp 230 Millionen Euro pro Jahr zwar nur einen kleinen, wohl aber den öffentlichkeitswirksamsten Teil: Er finanziert vor allem den Spitzensport. Den weitaus größten Teil der Sportförderung, nämlich rund 80 Prozent, übernehmen die Kommunen, noch rund 17 Prozent werden von den Ländern finanziert. Nach dem Subsidiaritätsprinzip - wonach staatliche Aufgaben immer auf der untersten möglichen Ebene zu lösen sind - sind die Länder im Rahmen ihrer Aufgaben im Bildungsbereich für den Schulsport und den Bau von Sportanlagen zuständig, während sich die Kommunen um die Unterstützung der Vereine und den Erhalt und Betrieb der Sportstätten kümmern.
Das Bundesinnenministerium (BMI) lässt wissen, die Sportförderung des Bundes ziele darauf ab, "eine herausragende Vertretung der Bundesrepublik Deutschland an internationalen Wettbewerben wie den Olympischen und Paralympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften, den Deaflympics der Gehörlosen und den Special Olympics der geistig Behinderten sicherzustellen". Im elften Sportbericht der Bundesregierung ( 16/3750) heißt es, Sport sei ein "unverzichtbares Element unserer Gesellschaft", das ohne "angemessene Sportförderung" nicht möglich sei. Konkret bedeutet das: Der Bund finanziert die Bundessportfachverbände, Olympiastützpunkte und Bundesleistungszentren und investiert in den Sportstättenbau, die Sportwissenschaft und den Nachwuchsleistungssport. Außerdem beteiligt er sich an den Kosten für die Vorbereitung und Entsendung von Mannschaften zu den Olympischen Spielen.
Zwischen 2002 und 2005 gab der Bund für seine Spitzensportförderung rund 920 Millionen Euro aus. Der größte Teil davon stammt aus dem Haushalt des BMI, aber auch andere Ressorts - etwa das Verteidigungsministerium, das Finanzministerium, das Familienministerium und das Auswärtige Amt - haben regelmäßig Ausgaben für den Sport in ihren Etats vorgesehen.
Doch der Bund schafft nicht nur die Infrastruktur und Trainingsmöglichkeiten. Immer stärker ist in den vergangenen Jahren in den Blick geraten, dass Spitzensportler eine materielle und berufliche Absicherung benötigen, wenn sie sich voll auf ihren Sport konzentrieren wollen - und sollen. "Früher hat man die Staatsamateure aus dem Osten kritisiert", so Sportwissenschaftler Breuer. "Heute hat man erkannt, dass man die Sportler auch effektiv unterstützen muss, wenn sie Medaillen produzieren sollen." Die Stiftung Deutsche Sporthilfe hat sich das zur Aufgabe gemacht - aktuell finanziert sie 3.800 Athleten und 600 Internatsschüler mit monatlichen Beträgen von 400 bis 2.000 Euro.
Unterstützung erhalten Sportler in besonderer Weise auch bei der Bundeswehr und der Bundespolizei. Schon 1969 forderte der Bundestag die Bundeswehr zur Gründung von Sportfördergruppen auf, heute gibt es 18 Sportfördergruppen, in denen rund 700 Sportsoldaten trainieren. Aufgenommen wird, wer zum Bundeskader A, B, C oder D/C gehört und eine Empfehlung des zuständigen Spitzenverbandes und des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vorlegen kann. Sportler wie Ronny Ackermann (Nordische Kombination), Tobias Angerer (Skilanglauf) und Florian Naroska (Wasserball) profitieren davon, als Bundeswehrangehörige 70 Prozent ihrer Dienstzeit auf die Vorbereitung von Wettkämpfen verwenden zu können.
Perspektiven für Spitzenathleten bietet auch die Bundespolizei. Im "Bad Ensdorfer Modell" können Athleten wie Martina Glagow (Biathlon) und Michael Uhrmann (Skispringen) eine Ausbildung zum Vollzugsbeamten absolvieren, sind aber für die Zeit der Wettkampfvorbereitung und die Wettkampfsaison vom Dienst befreit. Die Vorbereitungen lohnen sich: Von den insgesamt 29 Medaillen, die deutsche Sportler bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin holten, gingen allein elf an Angehörige der Bundespolizei.
Der ehemalige Präsident des Leichtathletikverbandes und heutige Direktor des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Tübingen, Helmut Digel, sieht diese Form der staatlichen Sportförderung skeptisch. "Es ist im Grunde ein Fetisch, in diesem Zusammenhang noch von Amateuren zu sprechen." Dass der Staat seine Sportler unterstütze, habe gute Gründe. "Wenn es aber so intensiv geschieht, dass bestimmte Sportarten nahezu vollständig vom Innenminister und damit letztlich durch den Steuerzahler finanziert werden, muss man ganz besonders darauf achten, dass der Sport seine kulturelle Qualität behält und nicht durch Korruption und Betrug geprägt ist. Kann das nicht mehr gewährleistet werden, muss man die staatliche Förderpolitik überdenken."
Wie man die staatliche Förderung der Spitzenathleten auch bewerten mag - für die meisten der Millionen deutschen Freizeitsportler ist allein der Gedanke daran fern. Sie betreiben Sport zum Spaß, nicht um Wettbewerbe zu gewinnen.
Etwa 27 Millionen Menschen sind in Deutschland in rund 90.000 Sportvereinen organisiert. Mit 16 Landessportbünden, 60 Spitzenverbänden und 19 Sportverbänden ist ihre Dachorganisation, der DOSB, die größte Sportorganisation der Welt. Für den Mainzer Sportwissenschaftler Holger Preuss übernehmen die Sportvereine, in denen sich etwa 2,1 Millionen Ehrenamtliche engagieren, wichtige gesellschaftspolitische Funktionen: "Die Vereine sind nach grunddemokratischem Verständnis organisiert und haben gerade für Jugendliche oft eine erzieherische Funktion. Was dort im Umgang miteinander gelernt wird, ist wichtig für die gesamte Gesellschaft."
Auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Teilhabe sind die Vereine prägend: Sie leisten, so heißt es im Sportentwicklungsbericht 2007/2008 der Deutschen Sporthochschule Köln, einen "unersetzlichen Beitrag zur Sportversorgung der Bevölkerung". Und das zu erschwinglichen Preisen: Etwa die Hälfte aller deutschen Sportvereine erhebt für Erwachsene einen Monatsbeitrag von maximal 7,50 Euro, für Kinder sind es höchstens 3,50 Euro. Damit können sie sich allerdings nur zum Teil aus den Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren und sind dringend angewiesen auf Zuschüsse der Sportförderung von Ländern und Kommunen sowie Leistungen der Sportbünde, Steuererleichterungen und Erlöse aus Lotterien und Strafverfahren. Weil das Geld bekanntlich immer knapp ist, appellieren Bund und DOSB immer wieder an die private Wirtschaft, den Sport finanziell zu unterstützen. Mit mäßigem Erfolg: Der Trend geht hin zur Unterstützung einzelner Großereignisse, weg von der Finanzierung von Mannschaften oder einzelnen Athleten.
So hat die Bayer AG, die selbst 27 Werksvereine mit knapp 50.000 Mitgliedern unterhält, gerade mitgeteilt, sie werde sich mittelfristig aus der Sportwerbung zurückziehen und im Bereich des Profisports nur noch den Fußball unterstützen. Während die Abkehr der Unternehmen - insbesondere nach den Dopingskandalen im Radsport - für die Profis ärgerlich ist, können sich die Hobbysportler freuen. Denn nun geraten sie stärker in den Fokus. Der DOSB führt gemeinsam mit Coca Cola gerade die "Mission olympic" durch und sucht dabei nach "Deutschlands aktivster Stadt".
Die soll im Sommer auf einem "Festival des Sports" gekürt werden - und darf sich dann über einen Scheck über 100.000 Euro zur Förderung des "Sport- und Bewegungs- angebots für die Bürgerinnen und Bürger" freuen.
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