KOMMERZIALISIERUNG
Wenn sich in Peking die Jugend der Welt trifft, klingelt in den meisten Großunternehmen die Kasse
Für den einen ist es schlicht und ergreifend "Geschäftemacherei", für den anderen "eine ganz tolle Story". Was die Aussagen von Peter Rauen, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Sportausschusses des Bundestages, und die des Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, Theo Zwanziger, verbindet, ist der Blick auf die kommerzielle Seite des Sports. Im Fußball ist dieser bekanntlich ganz besonders ausgeprägt. 3 Milliarden Euro soll den 36 Proficlubs der ersten und zweiten Bundesliga der TV-Vertrag mit der Sirius Sportsmedia des umtriebigen Medienmanagers Leo Kirch einbringen. Das wird den Fußball-Alltag verändern, meint Rauen: "36 Vereine profitieren vom Geldsegen, und der Rest des Fußball-Lebens ist der Deutschen Fußball-Liga egal", erzürnt er sich und prophezeit das Ende der "Breite des Fußballs".
Dieses Beispiel macht deutlich, welches Niveau die symbiotische Verbindung zwischen Sport und Kommerz mittlerweile erreicht hat und welche Kontroversen diese hervorrufen kann. Die größte Aufmerksamkeit hat sich in dieser Hinsicht der bezahlte Fußball erobert. Rund 1,6 Milliarden Euro setzten die Proficlubs der Bundesliga und der zweiten Liga in der zurückliegenden Saison um.
Solche Spitzenumsätze sind logischerweise nur von Vereinen zu erwirtschaften, die ihre ökonomischen Strukturen wie mittelständische Unternehmen ausrichten. Diese "kommerzielle Organisation" ermöglicht erst den wirtschaftlichen Erfolg, mit dem die Vereine dann schließlich den sportlichen Erfolg erkaufen können. Dass nicht jeder Verein in Deutschland von dem Geldsegen, den TV-Sender und Sponsoren über den Fußball ausschütten, profitieren, liegt auf der Hand. Je tiefer der Raum, in der sich der Verein bewegt, desto uninteressanter wird er für Sponsoren und TV-Anstalten. Die tagtägliche Medien-Präsenz fehlt den kleinen Vereinen. Das "große Geld" von T-Mobile, Evonik oder der Allianz-Versicherung wird auf die Big Player wie etwa Bayern München verteilt. Der "permanente" Erfolg der Erfolgreichen sorgt natürlich für Ungleichgewichte im "Markt". Nur maximal eine Handvoll Clubs spielt Saison für Saison um die Meisterschaft in Deutschland, nur sie können sich die Top-Spieler aus dem Inland und Ausland leisten, die für das sportliche "Überleben" an der Spitze notwendig sind.
Wie wichtig für Sponsoren der Sport ist, dokumentieren eindrucksvoll die Olympischen Spiele in Peking. So konnte die olympische Weltorganisation ihr Rechte-Paket für fast 4,5 Milliarden Dollar an den bevorstehenden Sommerspielen und den Winterspielen 2006 in Turin verkaufen. Peking allein bringt dem IOC 1,74 Milliarden Dollar für die weltweiten Fernsehrechte ein. Darüber hinaus gibt es bindende Verträge beispielsweise mit dem US-Fernsehsender NBC (894 Millionen Dollar) und der Europa-Organisation EBU (443 Millionen Dollar).
Ähnliches gilt für die zwölf Top-Sponsoren des IOC. Es sind Weltunternehmen, die sich für insgesamt 866 Millionen Dollar das Recht erkauft haben, zwischen 2005 und 2008 global mit den Olympischen Ringen werben zu können. Die Peking-Spiele bedeuten für Firmen wie Coca-Cola, McDonald's, Visa und Samsung den unverzichtbaren Schlussakkord mit der besonderen Chance, sich dem 1,3-Milliarden-Menschen-Markt empfehlen zu können. Das wollen natürlich auch die 35 Sponsoren des Pekinger Organisationskomitees Bocog, darunter Volkswagen und Adidas. Sie bringen Bocog eine runde Milliarde Dollar ein und verlangen Gegenleistungen für Zahlungen von zum Teil mehr als 100 Millionen Dollar.
Was Olympia für adidas bedeutet, bringt Vorstandchef Herbert Hainer auf den Punkt. Es sei die "beste Chance, die wir jemals hatten, um uns in der Region zu präsentieren". Dazu gehört die Ausrüstung von 40.000 freiwilligen Helfern und 18 Olympia-Teams, einschließlich Deutschland und China. Hainer weiter: "Es wird viele chinesische Medaillengewinner geben, und sie werden Adidas tragen, das ist für uns ein Gewinn."
Doch mit dem Ende der Olympiade ist für Adidas das unternehmerische China-Abenteuer noch längst nicht vorbei. Bis 2010 will das Unternehmen aus Herzogenaurach das Netz seiner eigenen Läden in China von 4.000 auf 7.000 ausweiten. Große Wachstumsraten erwartet auch die Volkswagen AG, die Bocog mit 5.000 Autos den gesamten Fuhrpark stellt. Allein 1.000 davon sind Marke Audi. Dessen Chef Rupert Stadler freut sich schon darauf, "wenn die vier Ringe unserer Premium-Marke auf die fünf Olympischen Ringe treffen!"
Auch für den amerikanischen Sportartikler und Adidas-Konkurrenten Nike sind die Spiele in Peking der unumstrittene Höhepunkt des Jahres. Seit 30 Jahren hat sich das Sportunternehmen auf diesen Moment vorbereitet, denn so lange ist der US-Konzern in China präsent. Aktuell hat der Jahresumsatz die Grenze von einer Milliarde Dollar überschritten. Damit ist der chinesische Markt für Nike der zweitwichtigste weltweit und rangiert gleich hinter dem US-Geschäft. Und so schließt sich der Kreis auch bei der Olympiade in Peking: Auch hier gehen Sport und Kommerz einträchtig Hand in Hand. Adidas und Nike machen deutlich, was Sponsoren umtreibt, wenn sie "sportlich" investieren. Im Zuge der Globalisierung und der "Eroberung" neuer Märkte steht natürlich die Markenpräsenz noch vor dem Gewinn - den will man natürlich später ebenfalls abschöpfen.
Vor diesem Hintergrund kommen natürlich medienwirksame Events wie die Bundesliga und die Olympischen Spiele wie gerufen. Im Rahmen dieser sportlichen Highlights stehen die Unternehmen, die bereit sind, das angemessene Salär an die "Veranstalter" zu entrichten, mit ihren Produkten und ihrer Marke im Mittelpunkt. 40 Milliarden TV-Zuschauer verfolgten zum Beispiel die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Bei diesen Zahlen wird mehr als deutlich, dass sich der Sponsoren-Einsatz für die Unternehmen lohnen kann.
Natürlich treten Unternehmen nicht nur bei großen Sportereignissen als Sponsoren in Erscheinung. Herausragende Sportler zählen ebenfalls zum Objekt der Begierde. Der Profi-Fußballer David Beckham steht bei diesem Ranking ganz vorne auf Sponsorenliste. Bekanntlich lässt der englische Fußball-Popstar sein Fußballer-Leben in Los Angeles in aller Ruhe mit einem 185-Millionen -Euro-Vertrag ausklingen. Davor stand er in den Diensten von Real Madrid. Glaubt man den Recherchen der spanischen Wirtschaftszeitung "Cinco Diaz", konnten allein in den ersten sechs Monaten seiner Spielzeit in Madrid eine Million T-Shirts mit der 23., der Beckham-Rückenummer verkauft werden - weltweit versteht sich.
Auch T-Shirts, auf denen Beckhams-Namenszug in chinesischen oder japanischen Schriftzeichen stand, hätten sich zu einem wahren Renner entwickelt. Darüber hinaus habe Real in den ersten beiden Jahren der Ära Beckham seine Merchandising-Einnahmen um 60 Prozent (53 Millionen Euro) steigern können. Die Sponsoreinnahmen des Clubs seien sogar um 137 Prozent (44 Millionen Euro) angewachsen.
Auf grund seiner weltweiten Medienpräsenz und seiner Persönlichkeit, für die sogar das absurde Adjektiv "metrosexuell" entwickelt wurde, stehen die Werbepartner und Sponsoren bei ihm Schlange. So ist er mittlerweile als Werbepartner für den Sportartikelhersteller adidas genauso interessant wie für das Modeunternehmen Armani. Sie zahlen siebenstellige Summen, um mit Beckham für ihre Produkte werben zu dürfen. Experten taxieren seinen "Markenwert" mittlerweile auf 350 Millionen Euro.
Profitiert nun auch der Breitensport von der Kommerzialisierung der "Mediensportler und -disziplinen"? Peter Danckert, Vorsitzender des Sportausschusses des Bundestages, meint: "Ohne die so genannte Kommerzialisierung des Sports wäre vieles nicht mehr möglich", und führt die Kosten für den Unterhalt der Sportstätten an. "Nicht wenige Vereine bieten heute kostengünstige Fitness-Angebote für ihre Mitglieder und andere Interessierte an, um zum Beispiel die Kosten für den Unterhalt der Sportanlage und die Trainerkosten zu refinanzieren". In einem solchen Fall sei die "Kommerzialisierung des Breitensports" sinnvoll und zeitgemäß.
Kritischer sieht Danckert zum Beispiel die Entwicklung im hochkommerzialisierten Profi-Fußball. "Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, aus den TV-Einnahmen den letzten Cent herauszuholen", sagt er mit Blick auf den möglichen Drei-Milliarden-TV-Deal der Deutschen Fußball-Liga mit Kirchs Sirius Sportsmedia. Sollte dieser "Handel" vom Bundeskartellamt genehmigt werden, würde nach Meinung des Sportausschuss-Vorsitzenden die Kluft zwischen "großen" und "kleinen" Bundesliga-Vereinen zunehmen.
Wie auch immer der Streit um die Fernseh-Vermarktung ausgehen wird, die Zeichen stehen auf einer weiteren Kommerzialisierung des Sports. Die Sponsoren-Karawane wird weiterziehen, solange es die Sportfans noch vor den Fernseher und die Stadien zieht.