PESTIZIDE
Die Kommission will ein Verbot, Deutschland plädiert für höhere Grenzwerte
Europas Pestizid-Hersteller argumentierten mit großen Zahlen: "3000 Salatköpfe!" - so viel Gemüse müsse ein gesunder Erwachsener an einem Tag verzehren, um eine gefährliche Dosis Pestizidrückstände zu sich zu nehmen. "Noch nie waren unsere Nahrungsmittel sicherer", befand der Europäische Verband für Pflanzenschutz (ECPA).
Ziel der Lobbyarbeit waren diejenigen EU-Politiker, die gerade mit einer Verschärfung der Pestizid-Vorschriften beschäftigt sind. Am 19. Mai stand das Thema auf der Agenda des Agrarministertreffens in Brüssel. Auch Bundesminister Horst Seehofer (CSU) nahm an den Gesprächen teil. Heraus kam vor allem eines: ein handfester Streit zwischen den Entscheidungsträgern.
Im Zentrum der Debatte stehen die so genannten CMR-Stoffe - Substanzen, die Krebs erregen, das Erbgut schädigen oder die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. Hier will die EU-Kommission sich nicht auf Risiko-Schätzungen verlassen: Ihrer Ansicht nach sollten die Stoffe kategorisch verboten werden. Ein Vorstoß, den das EU-Parlament und seine deutsche Berichterstatterin Hiltrud Breyer (Grüne) nur zu gerne aufnahmen. Im Ministerrat allerdings sah eine Mehrheit die Sache anders. "Es ist wichtig, dass die Pestizid-Palette auch künftig ausreichend groß ist", erklärte der slowenische Agrarminister Iztok Jarc, dessen Land den Ratsvorsitz inne hat. Sein Vorschlag: Bestimmte krebserregende oder die Fortpflanzung schädigende Substanzen dürfen eingesetzt werden, wenn ihre Konzentration weniger als ein Tausendstel der Wirkungsschwelle beträgt.
Nun aber passierte Bemerkenswertes: Die EU-Kommission hielt trotz des Drucks an ihrem Vorschlag fest. Es war einer der ersten größeren Auftritte der neuen Gesundheitskommissarin Androula Vassiliou aus Zypern. Die Politikerin mit dem flammend orangen Haar verteidigte energisch ihre Position: "Die Industrie braucht Anreize, sicherere Stoffe zu entwickeln!", erklärte sie.
Zur Seite stand ihr die grüne EU-Abgeordnete Breyer. "Gesetzliche Grenzwerte werden nur für jeweils ein Pestizid festgelegt", kritisierte die Parlamentarierin. "In Obst und Gemüse befindet sich aber ein ganzer Cocktail von Stoffen. Was diese gemeinsam bewirken, ist noch gar nicht bekannt." Ähnlich hatten sich zuvor schon Organisationen wie Greenpeace geäußert. Am 23. Juni geht der Streit in die nächste Runde: Dann befassen sich die Agrarminister noch einmal mit dem schwierigen Dossier. Bundesminister Seehofer hat sich salomonisch zu dem Thema geäußert: Ob Verbot oder Grenzwert-Modell - er halte "beides für verantwortbar", erklärte der für Verbraucherfragen zuständige Minister . Hauptsache, es gebe moderne EU-weite Regeln - schließlich solle der Binnenmarkt vorangebracht werden. Und außerdem lande sehr viel importiertes Obst und Gemüse auf deutschen Tellern.