Rüffel aus Brüssel: Das Europaparlament hat dem umstrittenen Beitrittskandidaten Türkei erneut ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Ankara müsse mehr Tempo bei Reformen machen, fordern die Abgeordneten in einem Bericht zur Türkei, der am 21. Mai in Straßburg mit großer Mehrheit angenommen wurde. Beim Thema Meinungsfreiheit trete das Land auf der Stelle. Konservative deutsche Abgeordnete verlangten, über Alternativen zum EU-Beitritt der Türkei nachzudenken.
Die von Ankara geplanten Änderungen des Strafrechtsparagrafen zur "Verunglimpfung des Türkentums" seien nur "ein erster Schritt" auf dem Weg zur Meinungsfreiheit, heißt es in dem Bericht. 2007 habe die Zahl der wegen kritischer Äußerungen verfolgten Menschen weiter zugenommen.
Viel zu tun bleibe auch in den Bereichen Religionsfreiheit und Minderheitenrechte. Dabei verlangte das Parlament eine dauerhafte Lösung der Kurdenfrage und forderte"spürbare Verbesserungen" beim Verwenden der kurdischen Sprache in Öffentlichkeit, Schulen und Medien.
Auch die Situation der Frauen in der Türkei lasse zu wünschen übrig, kritisierten die Abgeordneten in dem mit 467 Ja-Stimmen, 62 Nein-Stimmen und 61 Enthaltungen angenommenen Text. Ankara müsse entschieden gegen Ehrenmorde und Zwangsverheiratungen vorgehen, die Erwerbsquote von Frauen steigern und das Mitwirken von Frauen im politischen Leben fördern. Reformdefizite sieht das Parlament auch in der Kontrolle des mächtigen Militärs. Zwar habe die türkische Regierung im turbulenten Wahljahr 2007 militärische Einmischungsversuche abblocken können, eine "uneingeschränkte parlamentarische Kontrolle" über das Militär stehe jedoch noch aus.
Besorgt zeigten sich die Europaparlamentarier darüber hinaus über das derzeitige Verbotsverfahren gegen die islamisch-konservative Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.