Die heimliche Sondermüll-Entsorgung, der Schmuggel geschützter Tier- und Pflanzenarten, die Zerstörung von Naturschutzgebieten: Umweltsünden dieser Art sollen in Europa nicht mehr als Kavaliersdelikte durchgehen. Das sieht eine Richtlinie vor, die das Europaparlament in Straßburg am 21. Mai angenommen hat. Die EU greift dabei zu harten Maßnahmen, denn die Vergehen sollen künftig strafrechtlich verfolgt werden. "Wir brauchen eine wirksame Abschreckung", erklärte Umweltkommissar Stavros Dimas.
Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig Mensch und Umwelt gefährdet, soll ab 2010 in keinem EU-Staat mehr mit einem kleinen Bußgeld davonkommen. Die EU betritt mit ihrer Richtlinie rechtliches Neuland. Sie ist das erste europäische Strafgesetz überhaupt. Bisher hatte die EU beim Strafrecht keine Kompetenzen, es fiel allein in die Zuständigkeit der EU-Staaten.
"Ein weitreichender und bemerkenswerter Schritt", sagte der zuständige Parlamentsberichterstatter, Hartmut Nassauer (EVP). Die neue Richtlinie listet eine ganze Reihe verbotener Handlungen nebst entsprechendem EU-Gesetz auf. Die radioaktive Verschmutzung zählt dazu, ebenso wie die Produktion und der Verkauf von Stoffen, die die Ozonschicht zerstören. Ausgeschlossen bleibt das Bagatellunrecht.
Viele Jahre lang hatten die EU-Regierungen, die Kommission und das Parlament eine Grundsatzdiskussion über die strafrechtliche Zuständigkeit geführt. Den Ausschlag gab schließlich der Europäische Gerichtshof (EuGH), der 2005 und 2007 weitgehend im Sinne der Kommission und des Parlaments entschied. Die EU müsse dafür sorgen können, dass ihre eigenen Gesetze auch durchgesetzt würden, so das Gericht. Allerdings wird sich der Eingriff aus Brüssel und Straßburg in Grenzen halten: Die Richtlinie schreibt nur die Straftaten fest, nicht aber Art und Höhe des Strafmaßes. Die Mitgliedstaaten erhalten die Vorgabe, "wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen" zu erlassen. Die Regierungen im Ministerrat haben bereits angekündigt, die Richtlinie mitzutragen.
Ohnehin, so Nassauer, handele es sich um einen Vorgriff auf künftige Entwicklungen - denn auch der Reformvertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft treten soll, spreche sich zugunsten der europäischen Lösung aus.