Im internationalen Vergleich stellt das deutsche Zeitmodell der schulischen Erziehung mittlerweile einen Sonderweg dar. Seine historischen Wurzeln reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Im Zeitalter der Systemkonkurrenz wurden dann in beiden deutschen Nachkriegsstaaten konträre, jedoch aufeinander bezogene Pfade bei der Vor- und Grundschulerziehung beschritten. Während heute in Ostdeutschland das Angebot wie auch die Nachfrage nach Ganztagseinrichtungen auf relativ hohem Niveau liegen, ist in den westlichen Bundesländern vor allem im Vor- und Grundschulbereich ein dramatisches Defizit zu verzeichnen.
Vor einigen Jahren haben die für Deutschland wenig schmeichelhaften Ergebnisse des Programme for International Student Assessment (PISA) die Öffentlichkeit aufgeschreckt. Danach scheint das deutsche Modell der Halbtagsschule in Europa kaum mehr konkurrenzfähig zu sein. Es gibt gute Gründe, auch ohne den äußeren Druck ohnehin problematischer internationaler Vergleiche das Halbtagsmodell der deutschen Vor- und Grundschulerziehung zu überdenken. Die "Zeitpolitik" auf diesem Gebiet ist für die so oft geforderte, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf insbesondere für Mütter entscheidend.
Nach ersten Ergebnissen der umfassenden Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) scheint sich zudem die These zu bestätigen, nach der ganztägig außerhalb der Familien gebildete und ausgebildete Kinder schon im Vorschulalter hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenzen profitieren. Chancengleichheit ist ein Zukunftsthema der Migrationsgesellschaften im 21. Jahrhundert: Auch sozialen Benachteiligungen aufgrund der familiären bzw. ethnischen Herkunft kann in Ganztagsangeboten offenbar viel besser begegnet werden.