AUSWÄRTIGE KULTURPOLITIK
Sie ist immer auch ein Spiegel ihrer Zeit - in Zukunft soll sie die weltweite Vernetzung fördern
Für Franz-Josef Strauß, bayerischer Ministerpräsident mit außenpolitischen Ambitionen, war die Sache einfach: "Hauptaufgabe der Auswärtigen Kulturpolitik", sagte der damalige CSU-Vorsitzende 1986 in einer Rede in München, "sei für Deutschland zu werben". Die entscheidende Frage sei der Nutzen, fügte Strauß hinzu und meinte damit: für den Staat.
Doch kurzfristige Kosten-Nutzen-Rechnungen lassen sich bei Kunst und Kultur grundsätzlich schlecht aufstellen, weder politisch noch ökonomisch. Dennoch befindet sich die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nach Jahren des Sparens wieder im Aufwind. "Wir spüren neuen Optimismus und Aufbruchsstimmung", formulierte es Hans-Joachim Otto (FDP), Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien, nach einer öffentlichen Anhörung am 4. Juni im Bundestag. Vertreter der wichtigsten Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik - Goethe-Institut, Institut für Auslandsbeziehungen, Deutsches Archäologisches Institut und deutsche Unesco-Kommission - waren in den Ausschuss für Kultur und Medien gekommen, um bei einer öffentlichen Anhörung über Probleme, aber auch Perspektiven der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu sprechen.
Der Generalsekretär der deutschen Unesco-Kommission, Roland Bernecker, brachte die Bedeutung von Kultur und Bildung für die Lösung von Zukunftsfragen auf den Punkt: "Die Friedenssicherung weltweit wird immer stärker von weichen Faktoren wie Bildung und Kultur abhängen."
Eine Meinung, die offenbar nicht nur im Bundestag Befürworter findet, sondern auch im Auswärtigen Amt, dem die Federführung obliegt: "Selten war die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik notwendiger als heute", schrieb Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im vergangenen Jahr in einem Beitrag für die Zeitung des Deutschen Kulturrates "politik und kultur". "Wir können unsere globalen Probleme nur dann bewältigen, wenn wir uns stärker als bisher als interkulturelle und internationale Lerngemeinschaften verstehen".
Der Außenminister ließ seinen Worten Taten folgen. Die Bedeutung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik lässt sich nun auch wieder an wachsenden Etats ablesen. In den 1990er Jahren hatten die Mittlerorganisationen, allen voran das "Flaggschiff" Goethe-Institut, noch herbe Einschnitte hinnehmen müssen. Etliche Institute besonders auch in der islamischen Welt mussten schließen, darunter Vertretungen in Khartum, Daressalam, Surabaya, Lahore und Islamabad. Eine Entscheidung, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bereut wurde. Nun jedoch ist der Etat der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik seit langem erstmals wieder signifikant gestiegen: In diesem Jahr liegt er bei 658,1 Millionen Euro, das sind 89,2 Millionen mehr als im Vorjahr. Insgesamt beansprucht die Auswärtige Kulturpolitik derzeit 23 Prozent des Haushalts des Auswärtigen Amtes.
Trotz dieser Steigerung ist der Etat aber noch weit davon entfernt, wie in den 1970er-Jahren rund ein Drittel des Gesamthaushalts des Auswärtigen Amtes auszumachen. Als "dritte Säule der Außenpolitik" hatte damals Willy Brandt (SPD) während seiner Amtszeit als Bundesaußenminister die Auswärtige Kulturpolitik bezeichnet - und ihr damit erstmals in der deutschen Geschichte einen gleichwertigen Rang neben den beiden anderen Säulen, der Sicherheitspolitik und der Außenwirtschaftspolitik, eingeräumt.
Die Säulen-Metapher ist inzwischen zum viel zitierten Schlagwort, auch zum Gemeinplatz in Festtagsreden geworden, doch Ende der 1960er-Jahre markierte sie tatsächlich ein Umdenken: Die Politik hatte den Wert der Kultur als Mittler in den internationalen Beziehungen erkannt. Sie gebe diesen "stabilisierende Tiefe", schrieb Hildegard Hamm-Brücher, von 1977 bis 1985 Staatsministerin im Auswärtigen Amt, damals in der Zeitung "Die Zeit". Mit einer "umfassenden Auswärtige Kulturpolitik" könnte "Klischeevorstellungen und plötzlichen Manipulationen" in zwischengesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Bereichen entgegengewirkt werden.
Seit dieser Zeit hat die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik die Aufgabe, Aspekte des kulturellen Lebens in Deutschland im Ausland zu vermitteln. Sie versteht sich als Beitrag zur Pflege des internationalen Dialogs zwischen Menschen und Kulturen und orientiert sich an Wertvorstellungen wie etwa Demokratie und Menschenrechten. Das war nicht immer so.
Von einer Auswärtigen Kulturpolitik spricht man in der deutschen Geschichte zwar schon seit Ende des 19. Jahrhunderts, man meinte damit zunächst aber weniger den Dialog und den Austausch, als den "Export" der deutschen Sprache. Die Gründung von deutschen Auslandschulen war somit eine der ersten Maßnahmen der "Kulturdiplomatie", die schon zu dieser Zeit vor allem im Auswärtigen Amt institutionalisiert war.
Eine der bekanntesten Mittlerorganisationen der heutigen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, wurde bereits 1860 in Berlin nach dem Tod des Naturforschers gegründet und hatte das Ziel, Forschungsreisen deutscher Wissenschaftler in andere Länder zu finanzieren. Der Begriff der "Auswärtigen Kulturpolitik" wurde erstmals 1912 von dem Wirtschaftshistoriker Karl Lamprecht geprägt.
In den darauf folgenden Jahren der Weimarer Republik wandelte sich langsam das Verständnis der Kulturdiplomatie. Eine weitere Mittlerorganisation der heutigen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), hat ihre Ursprünge in dieser Zeit: Die Vorläuferorganisation des ifa wurde 1917 in Stuttgart zunächst unter dem Namen "Museum und Institut zur Kunde des Auslanddeutschtums und zur Förderung deutscher Interessen im Ausland" gegründet, später in "Deutsches Ausland-Institut" umbenannt. Auslöser für die Gründung war damals das Bewusstsein, dass nach dem Ersten Weltkrieg manches für Kultur und soziale Stellung der Millionen Auslandsdeutschen in Europa und in Übersee getan werden müsse. Außerdem wollte man das lädierte Ansehen Deutschlands in der Welt verbessern.
Die nationalsozialistische Diktatur brachte schließlich die mit der auswärtigen Kulturarbeit beauftragten Institutionen unter ihre Kontrolle. Das von Josef Goebbels geführte Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda dominierte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die deutsche Außendarstellung. Danach hatte die Auswärtige Kulturpolitik vornehmlich das Ziel, das verlorenen Ansehen Deutschlands wiederherzustellen. Schnell bemühte man sich, die früheren Mittlerorganisationen zu reaktivieren: Der Deutsche Akademische Auslandsdienst und das Institut für Auslandsbeziehungen wurden 1950 neu gegründet, das Goethe-Institut und die Humboldtstiftung folgten 1953. Neu hinzu kam ebenfalls 1953 der Auslandsrundfunk Deutsche Welle. Zusammen mit den großen öffentlich-rechtlichen Sendern mit Auslandauftrag, 3Sat und Arte, ist die Deutsche Welle Hauptakteur der Auswärtigen Medienpolitik. Wie der Blick zurück zeigt, war die Auswärtige Kulturpolitik stets den politischen Rahmenbedingungen ihrer Zeit unterworfen. Und sie ist es bis heute: Kalter Krieg, deutsche Wiedervereinigung und das Zusammenwachsen Europas haben einen deutlichen Einfluss auf ihre strategische Ausrichtung. Gerade der Prozess der Globalisierung hat nun eine Neuausrichtung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik notwendig gemacht: Vernetzung ist dabei ein zentrales Stichwort. Die Kultur- und Bildungspolitik solle eine "Plattform für viele Partner schaffen", fordert so auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Kultur fände heute in einem größeren Netzwerk statt. Daran müssten sich auch die Auswärtige Bildungs- und Kulturpolitik in ihren internen Organisationen anpassen.
Das haben die Mittlerorganisationen getan. Besonders das Goethe-Institut hat einen Prozess der tief greifenden Umstrukturierung hinter sich, wie Klaus-Dieter Lehmann, seit 2007 neuer Präsident des Münchner Instituts, betont: "Unsere Hausaufgaben haben wir gemacht." Schwerpunkt der neuen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist die Bildung. Nach dem Willen der Bundesregierung soll vor allem das Auslandsschulwesen ausgebaut werden. Die Zahl der bislang 123 Auslandsschulen und 461 so genannten Partnerschulen soll, laut aktuellem Antrag, auf insgesamt 1.000 Schulen erhöht werden. Das Budget dafür wurde schon im vergangenen Jahr von 45 Millionen auf 225 Millionen Euro aufgestockt. Ein solcher Geldsegen weckt natürlich anderswo Begehrlichkeiten: So mahnte etwa die Präsidentin des Instituts für Auslandsbeziehungen, Ursula Seiler-Albring, als nächstens müsse an ihr bislang leer ausgegangenes Haus gedacht werden. "Andernfalls fangen wir an zu quietschen!"