VON MONIKA PILATH
Meine Oma hatte Glück. Bis zu ihrem Tod im Alter von 97 Jahren lebte sie in ihrem Geburtshaus in einem kleinen hessischen Dorf. Jahrelang umsorgt und gepflegt von ihrer Tochter, meiner Tante. Fuhr diese in den Urlaub, sprang meine Mutter ein. Als Oma immer weniger konnte, halfen ihr Pflegerinnen von einem ambulanten Dienst beim Aufstehen, Waschen und Anziehen.
Den Lebensabend wie meine Großmutter zu verbringen, wünscht sich die Mehrheit der Deutschen - indes wird es für viele ein unerfüllter Traum bleiben. Von den rund 2,1 Millionen Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, werden zwar heute noch zwei Drittel von - zumeist weiblichen - Angehörigen gepflegt. Doch die Zahl jener, die auf Pflege in einem Heim angewiesen sind, steigt an. Die Kinder leben oft Hunderte von Kilometern entfernt, sind beruflich eingespannt und sehen sich nicht in der Lage, die zeit-, nerven- und kraftintensive Pflege der Eltern zu übernehmen. Viele trifft der Pflegefall eines Elternteils völlig unvorbereitet. "Wohin mit Vater?", lautet dann die bange Frage, oder: "Was soll nur aus Mutter werden?"
Noch weniger Menschen beschäftigen sich, solange es ihnen gesundheitlich gut geht, damit, welche Pflege sie sich einmal für sich selbst wünschen. Vielen ist dann im Fall der Fälle auch nicht klar, dass die 1995 eingeführte Pflegeversicherung lediglich einen Teilkaskoschutz bietet. "Immerhin!", mögen die heute Erwerbstätigen denken, denn ob und was sie selbst in 20 oder mehr Jahren an Leistungen aus diesem Sozialversicherungszweig zu erwarten haben, ist völlig offen. Das finanzielle Fundament der Pflegeversicherung ist brüchig. Mit der jüngsten Anhebung der Beitragssätze auf 1,95 beziehungsweise 2,2 Prozent für Kinderlose ist die Finanzierung allenfalls bis zum Jahr 2015 gesichert.
Doch wie soll umgesteuert werden? Ist die Bürgerversicherung die Antwort oder ein kapitalgedecktes und prämienfinanziertes System? Die zum 1. Juli in Kraft getretene Pflegereform gibt darauf keine Antwort. Union und SPD konnten sich auf kein Modell einigen. Das Thema bleibt also auf der Agenda.
In der vorliegenden Ausgabe beschäftigt sich "Das Parlament" mit der Zukunft der Pflege. Erörtert werden der Pflegealltag in Heimen und zu Hause, es geht um geschichtliche und demografische Hintergründe. Kritisch unter die Lupe genommen wird die aktuelle Pflegerefom. Gibt es schon heute innovative Pflegeprojekte? Was hat es mit der Pflege durch - oftmals illegale - ausländische Hilfskräfte auf sich? Welche guten Ideen könnte Deutschland von europäischen Nachbarn übernehmen? Welche Pläne für die künftige Finanzierung der Pflege gibt es? Zu diesen und weiteren Fragen äußern sich neben Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verschiedene Pflegeexperten.
Wir würden uns freuen, wenn die Themenausgabe Anregungen dazu bietet, sich ausführlicher mit dem Thema Pflege zu beschäftigen. Schreiben Sie uns Ihre Meinung!