Häufig werden die amerikanischen Präsidentschaften nach dem Stil der Amtsführungen beurteilt. Ob sie aktiv oder passiv, ob sie offen oder misstrauisch waren: Solche Typisierungen haben zwar nur begrenzte Aussagekraft, dennoch können sie eine wesentliche Seite amerikanischer Politik beleuchten. Keine Präs i d e n t s c h a f t n a c h d e rd e s D e m o k r a t e n Franklin D. Roosevelt war privilegiertgenug, allein durch präsidentielle Entscheidungen der amerikanischen Gesellschaft oder der Geschichte ihren Stempel aufzudrücken. Auch Roosevelt konnte erst mit Beginn des Krieges eine konsistente Politik verfolgen, durch welche die USA sowohl zur Militär- als auch zur Wirtschaftsmacht von einzigartigem Rang in der Welt aufstiegen.
Präsident George W. Bush absolvierte die Harvard Business School mit dem Abschluss Master of Business Administration (MBA). Daher wäre zu vermuten, dass er als Präsident der Organisation einer Institution große Bedeutung beigemessen hätte. Im Bereich der Politik würde dies auch bedeuten, dass der Präsident als oberster Entscheidungsträger sehr genau die Policy-Vorschläge seiner Stäbe auf sich hätte einwirken lassen. Doch sein Führungsstil ging von ganz eigenen Prinzipien aus. Zudem entstand mit dem 11. September 2001 für ihn eine Situation, in der er sich erst sicher fühlte, wenn die Entscheidungen als Präsident seine Werte berücksichtigten. Diese bestehen vor allem aus stark moralischen Vorstellungen über Gerechtigkeit und Freiheit. Die Ebene der Moral wurde zusätzlich, in einer bestimmten Tradition der amerikanischen politischen Kultur stehend, durch religiöse Prinzipien gestützt. Im Global War on Terror hat Bush nicht nur nicht auf die CIA gehört, er versuchte vielmehr, den Sicherheitsdienst unter Druck zu setzen, damit dessen fact findings seinem Kriegsbild angepasst werden konnten. Bush führte nicht etwa in prägnanter Weise als MBA-Absolvent die Administration, vielmehr ist auffällig, dass er kaum auf die Sachkompetenz seiner Ministerien und Stäbe zurückgriff, dass er seinen Beraterkreis ungewöhnlich klein hielt und dass er versuchte, präsidentielle Entscheidungen aufgrund prinzipieller moralisch-religiöser Überzeugungen zu fällen. Vom Typus her handelte es sich um eine extrem misstrauische Präsidentschaft.
Um die Stile präsidentieller Politik in der Nachkriegszeit zu skizzieren, ist es vonnöten, in die Zeit von Roosevelts Präsidentschaft zurückzugehen. Als er im April 1945 starb, endete diese mit einer generellen Verunsicherung der Bevölkerung: Die USA standen zwar als überragende Weltmacht da, wussten aber nicht, wie sie diese einsetzen sollten. Die Koalition im Krieg gegen Deutschland verlor an Definitionsmacht. Vor allem der Partner in Osteuropa, die Sowjetunion, erschien plötzlich übermächtig und mit einer feindlichen Ideologie ausgerüstet, die auf Weltherrschaft zielte. Sollte die Welt kommunistisch werden? Sahen nicht auch die USA bereits ein bisschen sozialistisch aus? Wo waren die amerikanischen Werte von Freiheit, Marktwirtschaft und demokratischer Gewaltenteilung geblieben? Roosevelts Nachfolger Harry Truman verstand die Krise ähnlich wie seine Landsleute. Unter dem Einfluss des späteren Außenministers Dean Acheson entwickelte er eine andere Gangart gegenüber der Sowjetunion. Diese wurde nicht länger als Partner perzipiert, dem in gewisser Weise sein Kriegsgewinn in Osteuropa zustand, sondern als Gegner, dem man keinen Millimeter Boden mehr preisgeben durfte und dessen Ideologie man im Namen demokratischer Freiheiten scharf bekämpfen sollte.
Doch der Demokrat Truman und seine Administration standen auf verlorenem Posten. Die Republikanische Partei witterte Morgenluft. Lange genug hatte der New Deal Triumphe gefeiert; zuletzt als starke organisatorische Kraft, um den Krieg gegen Japan und das Deutsche Reich zu führen. Nun konnte man der Bevölkerung suggerieren, dass dies nicht nur eine erfolgreiche, sondern auch eine problematische Politik gewesen sei. Die Kampagne hatte System; die Furcht vor dem Kommunismus erwies sich als Wahlkampfschlager. 1946 gewannen die Republikaner für zwei Jahre die Mehrheit im Kongress. Ein selbstbewusster Kongress schmähte Präsident Truman als Versager.
In dieser Situation wollten Truman und Acheson mit Winston Churchills Hilfe (der britische Premierminister hatte den Begriff vom "Eisernen Vorhang" geprägt, der in Europa niedergegangen sei) und mit der Parteinahme gegen die Kommunisten im griechischen Bürgerkrieg die Meinungsführerschaft im weltweiten Kampf gegen den Kommunismus behalten. Aber es gelang Truman und seiner Administration nicht, die Legitimität des Personals aus der Zeit des New Deal zu erhalten. Insbesondere das Außenministerium wurde dem Verdacht ausgesetzt, heimlich mit dem Kommunismus konspiriert zu haben.
Abseits des McCarthyismus bleibt festzuhalten, dass die Republikanische Partei, die in den 1930er Jahren und im Weltkrieg zunehmend die Grundzüge des New Deal akzeptiert hatte, nun in neue Aggressivität verfiel. Die Menschen im Lande waren verängstigt, man deckte überall Verschwörungen und Landesverrat auf - leider auch tatsächliche. Eine neue Organisation der Verteidigung, das gemeinsame Verteidigungsministerium im Pentagon, wurde geschaffen und die Central Intelligence Agency (CIA) ins Leben gerufen, um überall im Ausland, offen und verdeckt, gegen den Weltkommunismus vorzugehen.
Insgesamt erwiesen sich der Antikommunismus und die Politik des Roll-back als erfolgreiche Strategie für demokratische Politik, aber nicht für die Partei dieses Namens, sondern für die Republikaner. Dabei steht außer Frage, dass die vergrößerte Macht von Stalins Sowjetunion neu interpretiert werden musste. Dafür lag ein Lösungsvorschlag bereits auf dem Tisch: George F. Kennan, Angehöriger der amerikanischen Botschaft in Moskau, forderte, dass man der Sowjetunion politisch differenzierter entgegentreten solle. Doch dieser Vorschlag wurde von Acheson verworfen: Man müsse hart reagieren, selbst mit militärischer Gewalt, und man dürfe den Kommunismus nicht differenziert, sondern müsse ihn holistisch betrachten. Damit wurde eine geistige Grundlage für die amerikanische Politik geschaffen, die in der Folge auch große Teile Westeuropas überzeugte.
Von großer Bedeutung erwies sich die neue Strategie im Innern der USA. Die Gewerkschaften wurden ihrer Legitimation beraubt, waren sie doch als Kollektiv antikapitalistischer Denkformen verdächtig. Sodann konnten alle Intellektuellen, die Universitäten und die Filmindustrie der "geistigen Verwandtschaft" mit dem Kommunismus bezichtigt werden. Bereits das Organisationsdenken des New Deal war im Prinzip des Kommunismus verdächtig. So wurde mit massiver sozialer Gewalt eine neue, alte Legitimationsideologie aus der Taufe gehoben: die Liberal tradition. Seither wurden bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion und darüber hinaus der Antikommunismus und die vorbehaltlose Zustimmung zum kapitalistischen Entwicklungspfad zum Markenzeichen des politischen Denkens nicht nur in den USA.
Die Verhaltensmerkmale, die der Liberal tradition zukommen, bestehen in männlicher Härte, in Attributen wie "stark sein", "Willen zeigen", "geistig nicht differenzieren", sich nicht als verständnisvoller Diskutant in Diskussionen mit Kommunisten und deren Sympathisanten erweisen. Der erste Zusatzartikel (First Amendment) zur amerikanischen Verfassung, der die geistige und die Redefreiheit kodifiziert, wurde auf ein sozial definiertes Maß gestutzt. Die aus dem Krieg heimkehrenden Studenten, stolz auf ihren Leutnants- oder Captains-Rang, wollten starke Burschen, real men, sein. McGeorge Bundy von Harvard, später Präsident John F. Kennedys Sicherheitsberater, fand, dass man nicht nur "Realist" in der Weltpolitik sein sollte, sondern "Ultra-Realist" - jemand, der die militärische Macht der USA stets im Kalkül behält. Solche Macho-Vorstellungen konnten sich von den geistigen Beständen des Antikommunismus absetzen und ein Eigenleben gewinnen. Zurückgreifend auf die Pionier- und Grenzerfahrung (frontier) konnte im amerikanischen Denken eine Persönlichkeitsvorstellung (rugged individualism) stabilisiert werden, die Weichheit, soft sein, als sissy quality verhöhnt. Man müsse tough sein, ein ganzer Kerl, und dürfe niemals nachgeben. Eine Position, die man einmal eingenommen hat, darf nicht aufgeweicht werden, jedenfalls nicht ohne gute Gründe.
Gab es sissies (Weichlinge) in der amerikanischen Bevölkerung und Politik? Nachdem das neue konsensuale Denken Mitte der 1950er Jahre umfassend etabliert war, wurden die Liberalen in der Demokratischen Partei weitgehend als sissies bezichtigt. Dass viele dieser Liberalen ebenfalls Antikommunisten waren, deren politischer Stil allerdings eher der von Kennan skizzierten Linie entsprach, wurde übersehen. Immerhin war diese Richtung in der Demokratischen Partei noch so stark, dass Präsidentschaftskandidat Adlai Stevenson, der 1952 und 1956 erfolglos gegen General Dwight D. Eisenhower in den Präsidentschaftswahlkampf zog, ein Liberaler war. Er repräsentierte die Tradition Roosevelts in der Demokratischen Partei. Der andere Flügel der "liberalen" Demokraten bestand aus den Cold War Liberals, die später die Basis für die Neokonservativen abgeben sollten. Der spätere Präsident Kennedy war ebenfalls ein harter Bursche und kein sissy, wie aus seiner Inauguralrede ersichtlich werden sollte.
Von Anfang an mit dem Republikanischen backlash verbunden - und am besten mit "Gegenrevolution" zu übersetzen - war der Kampf gegen den Keynesianismus. Dessen zunehmende Popularität in den 1930er Jahren zur Zeit der Roosevelt-Administration war der amerikanischen Geschäftswelt ein Dorn im Auge. In der politischen Kultur des Landes sollte die Liberal tradition zur alles bestimmenden Sichtweise werden: Freie Unternehmer, freie Märkte, freie Bürger sollten die Denkbilder prägen. Entsprechende Agitationstrupps bildeten sich sofort nach Kriegsende aus; im Kampf gegen den Kommunismus wurde der Keynesianismus als Spielart des Kommunismus denunziert. Einer der eifrigsten Kritiker war Milton Friedman - anfangs an gleichen Tischen mit dem Begründer der John-Birch-Society sitzend, einer rechtsgerichteten Organisation, die 1958 gegründet wurde und in Verschwörungskategorien dachte.
In den 1970er Jahren gelang dem Anti-Keynesianismus der Durchbruch. Wichtig für Friedman und die Chicagoer Schule war es, dass die Bedeutung des Staates in der Wirtschaftspolitik heruntergestuft wurde. Wissenschaftspolitisch gesehen wurde eine neue "epistemologische Gemeinschaft" geschaffen, deren Hauptvertreter Friedman war. Diese Gemeinschaft fand breite Unterstützung durch Organisationen, die von Unternehmern gefördert wurden. Ihre grass-roots-Aktivitäten haben nie nachgelassen, und für viele dieser Organisationen war der innenpolitische Kampf gegen staatliche Regelungen und Planungen wichtiger als der Kampf gegen den Kommunismus. Insgesamt hat Friedman zu einem Paradigmenwechsel in den Wirtschaftswissenschaften und in den öffentlichen Sichtweisen nicht nur in den USA, sondern weltweit beigetragen. Der Keynesianismus verlor an theoretischer Wirkmacht. Die Revitalisierung der "klassischen Ökonomie" als "Neoklassik", wie der Ansatz umfassend genannt wird, war gelungen.
Die Demokraten hatten ihr Alternativimage eingebüßt und entwickelten sich unter Führung einzelner Abgeordneter und Senatoren in den Reaganschen Jahren zu New Democrats, die eine Mittelschichtstrategie verfolgten und ebenfalls für Steuererleichterungen und den Abbau des welfare state eintraten. Auch ihr Credo war der "freie Markt". Von 1978 an hatte der Demokratische Präsident Jimmy Carter die Deregulierung großer Wirtschaftsbereiche in Angriff genommen. Die neoliberale Ideologie, also die Grenzüberschreitungen aus der "Neoklassik" in populärwissenschaftliche "Theorien", herrscht seitdem nicht nur in den USA.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der ökonomische Erfolg nicht mehr im Konzert mit staatlicher Organisation verstanden, sondern zunehmend mit der Leistungskraft einer freien Wirtschaft verbunden. Der erste Präsident der Nachkriegszeit, der dem Stil des neuen Denkens zu entsprechen schien, war Dwight D. Eisenhower, der legendäre General, der die Landung der alliierten Truppen in der Normandie befehligt hatte. Sein Stil war durch Zurückhaltung geprägt. Die außenpolitische antikommunistische Heißluft überließ er seinem Außenminister John Foster Dulles. Der General als Präsident hatte es nicht nötig, sich als "harten Kerl" auszugeben.
Für Eisenhowers Nachfolger John F. Kennedy stand fest, dass man die amerikanische Macht aktiver einsetzen müsse, als dies unter der Vorgängerregierung der Fall gewesen war. Schon im Wahlkampf hatte Kennedys Vater dem "Time"-Herausgeber Henry Luce versichert, dass sein Sohn auf jeden Fall ein harter Antikommunist sei. Seine Regierungsmannschaft, the best and the brightest, wie der Journalist David Halberstam sie nannte, wollte nicht dem passiven Stil der Eisenhower-Jahre entsprechen - und landete im Sumpf Vietnams. Einen "Verlust" Vietnams nach dem "Verlust" Chinas wollte sich kein amerikanischer Präsident erlauben; dieser Weg war durch die antikommunistische und die free-market-Ideologie versperrt. Experten im Außenministerium hatten vergeblich davor gewarnt, die antikoloniale Bewegung in Asien als kommunistisch und von Moskau gesteuert zu definieren, denn die kommunistische Ideologie sei kaum mehr als Beiwerk zur nationalen Befreiung ohne Langzeitwirkung.
Nach der Ermordung Kennedys erklärte sein Nachfolger Lyndon B. Johnson, dass er nicht der erste Präsident sein werde, der einen Staat in Südostasien an die Kommunisten verloren geben würde. Der texanische Taktiker Johnson eskalierte den Krieg, doch Ho Chi Minh ließ sich nicht an den Verhandlungstisch bomben. Mit überkommenen Taktiken aus der amerikanischen Politik ließ sich dieser Krieg nicht beenden. Johnson war voller Verachtung für die Liberalen in seiner Partei. Intern unterschied er zwischen real men und boys. Viele der brillanten Ratgeber und Policy-Experten blieben für ihn boys. Erfolgreiche Geschäftsleute dagegen galten als real men, und auch er selbst verstand sich so. Doch er sollte in Vietnam seinen gesamten politischen und persönlichen Kredit verspielen.
Sein Nachfolger, der Antikommunist Richard Nixon, stand nie im Verdacht, kein real man zu sein. Seine Anerkennung der Volksrepublik China wurde als kluger Schachzug ausgegeben, um die beiden kommunistischen Mächte gegeneinander ausspielen zu können und dadurch Einfluss auf Vietnam zu gewinnen. Dieses Kalkül war falsch, weil auf der Prämisse basierend, nach der die Länder der "Dritten Welt" entweder zum Lager der Kommunisten gehörten oder zur "freien Welt". Der misstrauische Nixon musste nach dem Watergate-Skandal 1974 durch seinen Vizepräsidenten Gerald Ford ersetzt werden. Für Ford, den nicht gewählten Präsidenten, spielte es keine Rolle, ob er ein real man war oder nicht. Ihm oblag es 1975, den Vietnamkrieg für beendet zu erklären; kein gewählter Präsident hatte mithin den ersten verlorenen Krieg der USA zu verantworten.
Die Nation bestrafte Ford, da er dem zurückgetretenen Nixon Immunität gewährt hatte, und wählte stattdessen einen Außenseiter der Demokraten zum neuen Präsidenten: Jimmy Carter. Dieser war sicherlich kein "harter Bursche", aber er hatte Prinzipien und erwies sich als zäher Verhandlungsführer, so in den Friedensverhandlungen zwischen dem ägyptischen Präsidenten Anwar Al-Sadat und dem israelischen Regierungschef Menachem Begin. Allerdings bestand die Regierungsmannschaft Carters mit wenigen Ausnahmen aus Liberalen, welche die Johnson-Administration überlebt hatten - also aus sissies. Die lärmenden Cold War Liberals, die jetzt Neokonservative genannt wurden, blieben außen vor, gründeten das Committee on the Present Danger und denunzierten die Carter'sche Abrüstungspolitik.
Insgesamt kann man konstatieren, dass die Präsidentschaften Ford und Carter sehr viel amerikanischen Pragmatismus erlaubt hatten, denn beide hatten schwierige Zeiten zu bewältigen, die Ölkrisen und die Stagflation der 1970er Jahre. So ist es nicht verwunderlich, dass von einer rabiaten rechten Öffentlichkeit beide Präsidenten als schwach und damit als nicht recht amerikanisch dargestellt wurden. Beide wichen vorsichtig vom "ultrarealistischen" Konsens ab. Carter warnte vor "übertriebener Furcht vor dem Kommunismus".
Sein Nachfolger Ronald Reagan, der Bilderbuchkonservative, wurde berühmt dafür, dass sich unter seiner Administration der Neoliberalismus und mit ihm das Programm der Steuersenkungen durchsetzte. Das Haushaltsdefizit war für die damalige Zeit atemberaubend. Aber Reagan, der real man, hatte das Glück, das seinen beiden Vorgängern fehlte. Zudem musste die sowjetische Führung sich, die Gesellschaft und den Staat reformieren. Damit war der Weg frei zur Abrüstung, zum Ende der Sowjetunion und zum Aufstieg der neuen Großmacht Russland. Da man Anfang der 1990er Jahre auch der Großmacht China nicht mehr unterstellen konnte, dass sie Weltrevolution betrieb, fiel das Kartenhaus des Antikommunismus in sich zusammen.
Man hätte nun Bilanz ziehen können über eine ideologische Eintrimmung, die durch ihre Schwarzweißbilder mehr Unheil angerichtet als Sicherheit geschaffen hatte. Doch dazu kam es nicht. Der Nachfolger Reagans und Vater des jetzigen Präsidenten, George Bush, amtierte unideologisch. Er begleitete den Übergang Russlands zu einer Zivilmacht, gab umsichtig Hilfestellung bei der deutschen Vereinigung und stellte gegen den Abenteurer Saddam Hussein über die Vereinten Nationen eine multilaterale Koalition zusammen, die man als diplomatische Meisterleistung ansehen kann. Der Feldzug gegen den irakischen Diktator nach dessen Einmarsch in Kuwait gelang, aber er bewies aufs Neue, dass nach dem Zweiten Weltkrieg militärische Siege nur begrenzte politische Lösungen erbringen. Waren zwar die Weltbilder des antikommunistischen Zeitalters verschwunden, so blieben doch diejenigen der real men bestehen. Boys wie Ford und Carter hatten an der Spitze der amerikanischen Politik nichts zu suchen. War George Bush der ältere ein real man? In gewisser Hinsicht ja, hatte er doch zum Ende des Wahlkampfes den Demokratischen Kandidaten Michael Dukakis im Fernsehduell als unentschlossen, übermäßig differenziert und als weich bloßgestellt. Aber Bush war auch ein Zauderer, nicht nur beim Irakkrieg. Schon zuvor im Falklandkrieg hatte er die USA aus diesem späten Kolonialkonflikt heraushalten wollen, aber die britische Premierministerin Margaret Thatcher warnte ihn: "George, don't be a wimp." ("George, sei kein Schwächling.")
Auch nach dem Ende des Antikommunismus bestand offenbar keine Chance, für ein Männer- bzw. Menschenbild zu werben, das durch Differenziertheit, Festigkeit und Flexibilität auf der Basis einer Menschenrechtsideologie und in den Verfahren rational und pragmatisch geprägt gewesen wäre. Das Duo Clinton/Gore musste ab 1993 in vielem die Dinge so laufen lassen, wie es ein starker Republikanischer Kongress wollte. Die Wirtschaft lief als Spekulationsökonomie wie von selbst, und die IT-Revolution tat ein Übriges, um Wachstumsraten hervorzubringen, die weltweit Neid hervorriefen. Außer am Image des Modernen zu feilen, zu dem auch Al Gore als Umweltschützer beitrug, leisteten die beiden wenig. Der Übergang zur shareholder democracy erfolgte gleichsam von selbst. Beide Politiker sind bis heute populär, repräsentieren sie doch erfolgreiche Jahre der amerikanischen Wirtschaft. In ihrer grundsätzlichen Ideologie sind sie indes weitgehend dem Wirtschaftsdenken des Neoliberalismus gefolgt. Waren beide real men? Gore haftet bis heute das Image an, zu weich zu sein.
Als Fazit der Beurteilung der amerikanischen Präsidentschaften nach 1945 kann man festhalten, dass sich an der grundsätzlichen Ideologie, ein entschiedener Antisozialist, ein real man zu sein, ein Feind all derer, welche die freie Marktwirtschaft behindern, nichts geändert hat. Von der Form her ist diese Ideologie gepaart mit einem Persönlichkeitsbild, das durch Härte, nicht nur durch Festigkeit geprägt ist Diese ideologische Basis ist bis in die Regierungszeit von George W. Bush erhalten geblieben, ja, sie hat sich noch verstärkt. Die drei Präsidenten, die sich dem Anspruch dieser Männlichkeitsideologie teilweise hatten entziehen können, Ford, Carter und der ältere Bush, haben nur eine Amtszeit absolviert.
Des Rätsels Lösung, warum der von den Republikanern geschaffene Basiskonsens so lange halten konnte, liegt darin, dass in den USA Klassen nicht ökonomisch oder sozioökonomisch definiert werden. Klassenzugehörigkeit wird bestimmt über kulturelle Muster. Eine amerikanische Kultur hat man, oder man hat sie nicht. Ihr Gehalt definiert sich über etwas, das als American angesehen werden kann, und etwas, das un-American ist. Für die Republikaner oder für konservative Amerikaner ist es leicht, diese un-Americans als Liberals abzuqualifizieren.
Was ist un-American? Die Zuschreibung hat sich in den 1990er Jahren intensiviert. Schon seit langem wird in den USA an angeblich snobistischen Amerikanern herumgemäkelt, die teure ausländische Autos fahren und gerne stilvoll Wein konsumieren. Die Konstruktion von Freund-Feind-Bildern stellt mithin die neueste Variante des kulturellen backlash in den USA dar. Um diese Strategie zu perfektionieren, haben Wahlkampfberater des Kandidaten George W. Bush die Staaten des Landes nach Siegerfarben unterteilt. Drei Viertel des Landes, vor allem die Mitte, das "Herz" Amerikas, sind rotes Bush-Land, während die bevölkerungsreichen Küstenstaaten im Osten und Kalifornien blau gezeichnet werden. Die Demokraten verfügen zwar über umfängliche sozialstrukturelle Potentiale, sind aber seit dem Zweiten Weltkrieg kulturell nicht mehr definitionsmächtig - selbst wenn sie in einer Wahl siegen sollten.
George W. Bush konnte in einem für ihn günstigen Klima regieren. Die größte Belastungsprobe stellte der globale Kampf gegen den Terrorismus dar. Wie im Kampf gegen den Kommunismus - den man angeblich gewonnen hatte - kamen ein einfaches Feindbild zum Tragen und eine Form der Entscheidungsfindung, die auf Härte setzte. Neue Formen des Regierens hatten keine Chance.
Den Stil freilich, den der Präsident bevorzugte, kann man partiell als neu ansehen. Noch nie hat es eine vergleichbare Macht für einen Vizepräsidenten gegeben. Richard Cheney, insbesondere, was den Kampf gegen den Terrorismus angeht, war die ausführende Hand des Präsidenten. Die zentrale Politikformulierung fand im Stab des Weißen Hauses statt. Zwar wurde auch unter Kennedy, Johnson und Nixon im Weißen Haus beraten und entschieden. Nie jedoch war das Team so klein wie unter George W. Bush. Weitgehend ausgeschaltet blieben die Joint Chiefs of Staff wie auch die CIA, der man bei wichtigen Grundsatzentscheidungen im Kampf gegen den Terror bescheinigen muss, dass sie auf der Seite der Experten blieb. Der Präsident hatte schon 2002 gegenüber Bob Woodward erklärt: "I'm the commander - see, I don't need to explain (...) why I say things. That's the interesting thing about being the president." ("Ich bestimme allein - und ich muss nicht erklären, (...) warum ich dieses oder jenes sage. Das ist so interessant daran, der Präsident zu sein.")
Das Bush-Team wollte tatsächlich alles in der Hand behalten. Die CIA hatte geplant, was nach dem Feldzug im Irak geschehen sollte, aber Cheney entschied, dass man als so erfolgreich bei der Bevölkerung angesehen werden würde, dass alle Nachkriegsplanungen entfallen könnten. Auch bei anderen Themen entschied die Bush-Administration zentral und geheim, ohne großen Einfluss der Experten. Das weicht vom Stil anderer Administrationen zwar nicht völlig ab, aber die Schwächen dieses Führungsstils treten stärker zutage, wenn es sich um Entscheidungen handelt, die große Krisen betreffen, etwa um Afghanistan, den Irak oder den Küstenschutz um New Orleans.
Worauf es in Zukunft ankommt, wäre, die ideologische Basis des gegenwärtigen Amerikanismus zu enthüllen. Statt Vereinfachung der Probleme und Härte im Stil wäre eine öffentliche Debatte darüber notwendig, wie die Intelligenz Amerikas für eine differenziertere Weltpolitik eingesetzt werden könnte, durchaus mit Verständnis für zögerliche Entscheidungen wie unter den Präsidenten Eisenhower oder Carter. Die USA wurden nach 1945 zur führenden Weltmacht; mit ihrer Ideologie haben sie vor allem in Europa Erfolge erzielt. Doch vieles an anderer Stelle der Außenpolitik war katastrophal und für eine gestaltende Weltordnungspolitik nicht hilfreich.