Irgendwie fühlten sich alle wie Gewinner, als das Bundesverfassungsgericht am 12. Oktober 1995 den Maastrichter Vertrag für verfassungskonform erklärte und damit den Weg zur Ratifizierung des Vertragswerkes freimachte. Die Bundesregierung wertete das Urteil als wichtiges "Ja" zu Europa durch Deutschland.
Die übrigen Mitgliedsstaaten - damals elf an der Zahl - hatten den Vertrag zu diesem Zeitpunkt schon ratifiziert. Auch der Deutsche Bundestag hatte im Dezember 1992 mit großer Mehrheit seine Zustimmung erklärt. Nur die PDS hatte den Vertrag abgelehnt und eine Volksabstimmung über den "Vertrag über die Europäische Union" angestrebt.
Nachdem die politischen Hürden bereits überwunden waren, wollten die Kläger den Vertrag juristisch stoppen. Sie argumentierten, dass die Übertragung nationaler Hoheitsrechte auf eine supranationale Organisation dem demokratischen Prinzip widerspreche und die Souveränität der gewählten Volksvertreter in Deutschland aushöhle.
Das sahen die Verfassungsrichter anders. Sie betonten, dass es prinzipiell mit dem demokratischen Prinzip vereinbar sei, wenn die Bundesrepublik Kompetenzen auf die Europäische Union übertrage. Doch sie betonten auch, dass der Deutsche Bundestag als ein direkt durch das Volk gewähltes Organ durch diesen Prozess nicht entmachtet werden dürfe.
Der ambivalente Urteilsspruch spiegelte die damalige Stimmung in Deutschland wider: Obwohl die Regierung immer wieder auf Europa als Garant für Sicherheit und Frieden hinwies, befürchteten viele Bürger eine Schwächung Deutschlands -das vereinigte Europa erschien vielen als "supranationaler Moloch", wie "Die Zeit" damals schrieb. In einer Umfrage erklärten nur 17 Prozent der Befragten, Vorteile in der deutschen EU-Mitgliedschaft zu sehen, mehr als die Hälfte bangten um die deutsche Unabhängigkeit. Gleichzeitig legte der Vertrag von Maastricht die Grundlagen für spätere Entwicklungen, die heute zu unserem Alltag oder zum Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland gehören: Die europäische Währungsunion mit dem Euro, die gemeinsame Außenpolitik, die Unionsbürgerschaft. Doch Kritik an der Verlagerung der Kompetenzen zur Europäischen Union gibt es bis heute.